WDR 3 – Lebenszeichen vom 22.10.2006
Lachen ist die beste Medizin – Über die heilsame und friedensstiftende Wirkung von Humor und Heiterkeit
von Gisela Keuersleben (gekürzt)
Worüber lacht der Mensch? Er lacht, wenn man ihn kitzelt, oder er lacht, wenn er andere lachen hört. Aber worüber lacht der Mensch, wenn sein Herz und sein Verstand bei der Sache sind? Er lacht über Kontraste.
Erich Kästner

Michael Titze: »Humorvoll sind immer diejenigen, die die Welt aus einer anderen Warte zu sehen vermögen. Denken wir einmal an Kabarettisten oder Leute wie Woody Allen, die von Haus aus sehr ernst sind und die sich, aus der Perspektive ihres Ernstes, dafür interessieren, wie es in anderen Welten aussieht. Damit wären wir schon bei der Kontrasttheorie. Humor lebt nämlich von Kontrasten oder von Gegensätzlichkeiten, Antithesen.«

Ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich möchte nur nicht dabei sein wenn’s passiert. Woody Allen

Der Sinn des Witzes ist, vor allem die Wirklichkeit um den Kredit zu bringen, indem er lächelnd zeigt, was alles möglich wäre, bricht er das Pathos der realen Sphäre.
Otto Weininger

Den Deutschen ist in den letzten Jahrzehnten das Lachen vergangen. Nur noch 15 Mal am Tag lassen sie sich zu einem Lächeln oder Lachen hinreißen. Kinder dagegen prusten 400 Mal am Tag los. Unbeschwert von Daseinsängsten und Alltagssorgen. Dabei täte jedem ein herzhaftes Lachen gut, denn es ist Medizin für Leib und Seele.

Lachen ist eine Sauerstoffdusche für den Körper. Es wirkt durchblutungsfördernd und schmerzstillend. Die Lungen werden gekräftigt und manche Experten weisen sogar einen Blutdruck senkenden Effekt nach. Es hat sich gezeigt, dass Lachen den gleichen Gehirnbereich aktiviert, der auf Kokain oder die Aussicht auf viel Geld anspricht. Dabei zeigen sich aber günstige Nebenwirkungen. Lachen wirkt sich positiv auf soziale Beziehungen aus.

Die Erkenntnis, dass Lachen Körper und Seele erfrischt, führte zu einer Art Wellness-Welle für das Zwerchfell. In rund 50 Lachgruppen wird nach speziellen Übungsprogrammen in ganz Deutschland gekichert, gegackert und geprustet. Organisiert ist die Lachbewegung in dem Verein Humor Care Deutschland, dessen Vorsitzender Christoph Emmelmann ist.

Christoph Emmelmann: »Viele Menschen werden schon als Kinder gedrillt eine Maske zu tragen, was sehr viel Energieaufwand kostet und man kann beobachten, bei vielen erwachsenen Menschen auch, wenn die wieder anfangen zu spielen, regelmäßig Lachyoga zu machen, dass ungefähr nach 3-4 Wochen Stück für Stück Denkblockaden aufbrechen.«

Der Lachtrainer Christoph Emmelmann weiß, wovon er spricht. In seinem früheren Leben war er in der Baubranche tätig, arbeitete verbissen bis zu 16 Stunden am Tag, bis ihn mit knapp 40 Jahren eine schwere Herzoperation zum Umdenken zwang. Er lernte bei einem Vortrag die Methode des Lachyoga kennen und krempelte sein Leben um. Heute arbeitet er als Trainer für Stressmanagement und als Lachyogatherapeut.

Christoph Emmelmann: »Es gibt z.B. eine Übung, da fangen wir an mit den Füßen am Boden zu stampfen, oder wir arbeiten mit einer sehr schönen Energieübung, die heißt Ho-Ho-Ha-Ha-Ha, wo wir fast genauso vorgehen, dass wir einfach in die Hände klatschen und ein Ho-Ho-Ha-Ha-Ha sagen. Das sind beides schöne Übungen um langsam zu entstressen. Sie merken dann, wie so langsam die Anspannung weggeht.«

Nach der Methode eines indischen Arztes wird in Lachyogagruppen zunächst entspannt, geatmet und künstlich gelacht. Irgendwann schlägt es um in echtes Gelächter. Lachen befreit. Spannung löst sich. Es gibt Raum für positive Gefühle.

Christoph Emmelmann arbeitet hin und wieder auch in Kindergärten. Zappelphilippkinder, nicht an Regeln gewöhnte Kinder, sozial benachteiligte Kinder. Sie können ihre Aggressionen oft nicht kontrollieren. Bestimmte Übungen kanalisieren und lockern aufgestauten Ärger und Anspannung der Kinder.
Übung Nr. 1: Das Löwenlachen.

Christoph Emmelmann: »Dieses Lachen, das mögen Kinder sehr gern, vor allem wenn sie sich vorstellen, dass ja Löwen Tiere sind, die auch aggressiv sind, tut es sehr gut, sich einfach mal in diese Stimmung zu begeben, aber dann auch zu merken, dass durch dieses Brüllen oder durch dieses Lachen die Aggression sich abbaut. Oder beispielsweise gibt es das Mohamed Ali Lachen, so nennen wir das, dass die einfach anfangen zu tänzeln wie ein Boxer und dann so tun, so Schattenboxen machen und dann einfach lachen und nicht wirklich aufeinander zugehen und miteinander kämpfen, sondern das Ganze in einer gewissen Entfernung und dadurch wird sehr schnell Aggression abgebaut.«

Aggressiven Kindergartenkindern fällt es schwer mit anderen zu spielen, und sie können oft kaum in Spiel- oder Lerngruppen integriert werden. So laufen Förderprogramme, gerade für Kinder aus sozial schwachen Milieus ins Leere. Doch es reicht sicher nicht aus, hin und wieder Entspannungsübungen mit den Kindern zu machen, um dauerhafte Verhaltensänderungen zu erzielen.

Erzieherinnen beobachten bei rund 20% der 3-6-jährigen Verhaltensstörungen, so eine Studie der Universität Braunschweig. Umfassende Konflikttrainingsprogramme sind notwendig, die den Kindern vermitteln, wie sie mit ihrer Wut umgehen können. Solche Programme müssen die Kinder befähigen Regeln einzuhalten und auf andere Rücksicht zu nehmen.

Und doch sind auch kleine Lach- und Entspannungsübungen Lichtblicke im Alltag gestresster Kindergärtnerinnen und Lehrer. Denn manchmal gelingt es eine Horde sich prügelnder Kinder mit einer witzigen Bemerkung zu trennen. Der Witz wird zum Spannungslöser. Schließlich kann einer der lacht nicht mehr prügeln. Nicht ohne Grund kennt unsere Sprache das entwaffnende Lächeln.

Christoph Emmelmann: »Also ich gebe den Kindergärtnerinnen und Lehrern den Tipp, sich eine Clownnase aufzusetzen, und dann entweder das Gleiche zu machen, was die Kinder machen, oder genau das Gegenteil zu machen. Man kann feststellen, dass sobald ein Mensch eine Clownnase aufgesetzt hat, unglaubliche Dinge passieren, weil das ist so ein Überraschungseffekt, weil aus diesem Mensch etwas ganz anderes wird.«

Hans Wursten trifft man weit und breit.
Humor ist mehr als Heiterkeit.


Kann man eine humorvolle Einstellung lernen? Oder ist es eine angeborene Gabe das Leben von der heiteren Seite zu nehmen? Es gibt kein Patentrezept. Es ist nicht möglich zu sagen, wir üben jetzt die oder die Humortechnik, oder die oder jene Art Witze zu produzieren.

Alfred Gerhards tritt seit über 20 Jahren als Pantomime und Clown auf. Er ist auch Humorberater, d.h. er trainiert verschiedene Berufsgruppen in Seminaren, in denen es um Konfliktbewältigung, Kreativität und Kommunikation geht. Insbesondere für Mitarbeiter im Sozialwesen und in Heilberufen hat er Seminare mit dem Titel Humor als Grundhaltung und Chance entwickelt.

Alfred Gerhards: »Humor kann man bedingt lernen. Es braucht eine Haltung, um Humor anzuwenden, einzusetzen. Das kann man schon lernen, das Bewusstsein, auch die Sensibilität und auch die Wahrnehmung, also das, was unseren Alltag auch humorvoll umgibt. Man muss die Situation nur sehen und erkennen, deshalb Wahrnehmungstraining. Da muss auch jeder sein Gefühl haben, und seinen Moment, auch die Risikobereitschaft zu sagen, ich probier’ jetzt mal was.«

Auch den Mut zur Peinlichkeit. Aber dieser Schritt fällt in der ernsten Berufswelt vielen schwer. Denn nicht immer herrscht ein Klima unter den Kollegen, das eine solche Risikobereitschaft ermöglicht. Alfred Gerhards trainiert Lehrer an sogenannten E-Schulen, Schulen für Erziehungshilfen.

Alfred Gerhards: »Das sind Schüler, die schon irgendwie aussortiert sind, salopp gesagt. Zu den Rabauken. Die ein schwieriges Sozialverhalten haben, wo es immer wieder zu Konflikten kommt. Teilweise schon bis zur Kriminalisierung. Ich trainiere regelrecht mit den Lehrern vor den Schülern, im wahrsten Sinne des Wortes, zu bestehen. Wie betrete ich einen Raum? Welche Signale gebe ich dann ab? Wenn man körpersprachlich das Signal von Unterlegenheit zeigt, Angst, Spannung, wird das wahrgenommen und schon mal ausgenutzt. Das ist ein reiner Machtkampf. Das ist eben ein Spiel: Da ist ein Erwachsener, ein Lehrer, der spielt die perfekte Welt. Sein Wissen ist unantastbar, aber der Schüler versucht ihn zu erwischen.«

Aber wie wäre es, wenn auch an solchen Schulen, Schüler und Lehrer gemeinsam lachten? Stress und Angst der Lehrer und die Aggressionen der Schüler wären für einen Moment ausgesetzt. Und der Druck, Überlegenheitsgefühle durch Machtgehabe übertünchen zu müssen, wäre von ihnen genommen.
Beim Lachen werden positive Gefühle freigesetzt. Das bedeutet, emotionales Lernen wäre möglich. Kurz: ein pädagogisches Utopia. Humor in der Schule, in der man seit Jahrhunderten für den Ernst des Lebens lernt, könnte neue Dimensionen öffnen.

Alfred Gerhards: »Dann, wenn sie gemeinsame Projekte machen z.B. ein Paddelboot bauen im Werkkundeunterricht und das Ding gemeinsam auf See lassen und mit dem Lehrer zusammen auch kentern. Solche Aktionen verbinden wirklich. Da wird auch gemeinsam gelacht, da werden auch Überlegenheitsgefälle ausgeglichen, wenn sich der Lehrer auch das erste Mal in dieses Boot, was theoretisch ja funktionieren muss, sich einfach falsch hinsetzt, falsch belastet und auch nicht geschickter ist als ein Schüler, dann wird gemeinsam gelacht, wird darüber geredet und so entsteht eine Verbundenheit und eine Ebene des Austausches.«

Lachen ist die Pforte, durch die viel Gutes in den Menschen gelangt.
Christian Morgenstern

Alfred Gerhards: »Wenn Lachen auch im pädagogischen Zusammenhang eingesetzt wird, über diese Pforte, die dann geöffnet wird, wird auch gleichzeitig Wissen vermittelt und bleibt auch am besten hängen.«

Die Erfahrungen in Krankenhäusern, Schulen, Kindergärten, aber auch in Weiterbildungsseminaren für Erwachsene zeigen, wie mit gezielten Übungen, die Heiterkeit hervorrufen und die Menschen zum Lachen bringen, Stress und Aggressionen abgebaut werden können. Allgemein werden diese Ansätze unter Humorstrategien oder Humortraining gefasst. Nun liegt es nahe, mit Hilfe von Komik auch seelische Leiden zu lindern. Aber wie soll jemand, der alles trüb und negativ sieht, der tief in seine Versagensängste verstrickt ist, zum Lachen gebracht werden ohne dass er sich ausgelacht fühlt?

Alfred Adler beschrieb schon im Jahr 1914 eine sogenannte paradoxe Behandlungsmethode, die später von seinen Schülern weiterentwickelt wurde. Einem Patienten der unter Schlafstörungen litt, wurde geraten sich, bewusst zu bemühen, nicht einzuschlafen. 1938 griff der Wiener Arzt und Psychotherapeut Viktor Frankl diese Methode auf. Er nannte sie paradoxe Intention. Vor allem bei angstneurotischen Patienten war dieses Behandlungsverfahren erfolgreich und setzte sich in Amerika schnell durch. Michael Titze war einer der ersten Therapeuten, der in Deutschland auf diese Weise arbeitete. An Alltagsbeispielen erläutert er die Behandlung, die auf einer Übertreibung der jeweiligen Ängste oder Hemmungen beruht.

Michael Titze: »Das sind zum Beispiel die schüchternen jungen Männer, die mir in der Therapie erzählen, dass sie sich noch nie mit einer Frau getroffen hätten. Sie befürchten nämlich, sich dermaßen daneben zu benehmen, dass jede Frau sie als vollkommen blöd ansehen müsse. Diese Männer sollen sich nun vornehmen, die betreffenden jungen Damen innerhalb von 2, 3 Sekunden dermaßen zu schockieren, dass die selbigen schreiend davon laufen! Diese überzogene Phantasie wird höchstwahrscheinlich dazu führen, dass sich bei diesen Männern innerlich eine Distanzierung einstellt, die - reflexhaft - mit einem leisen Lächeln einhergeht. Dieses Lächeln bringt einen heilsamen Zweifel zum Ausdruck, der in der Tat therapeutisch wirksam ist. Und gerade das hat Frankl auch immer gesagt: 'Wenn man in sich hinein lächelt und sich sagt, das kann so nicht sein und wird so nicht sein, dann ist das die heilsame Relativierung, auf die die therapeutische Intention abzielt'«.

Titze lernte bei Vorträgen und Seminaren Viktor Frankl kennen. Bei ihm fand er die wichtigsten Schlüsselsätze für seinen Ansatz der Humortherapie.

Michael Titze: »Eine Psychotherapie kann nur dann gelingen, wenn der Psychotherapeut sich nicht geniert dem Patienten nicht nur vorzusagen, sondern vorzuleben, was es heißt den Mut zur Lächerlichkeit zu haben.«

Therapeutischer Humor ist in der Psychotherapie kein Allheilmittel. Aber bei Patienten, die an angstneurotischen Störungen leiden, ist die Methode erfolgreich. Oft sind es Versagensängste, begleitet von Zittern, Stottern, unkontrollierbaren Schweißausbrüchen oder extremer Kontaktscheu. Michael Titze fordert seine Patienten auf, ihre schlimmsten Ängste auszusprechen und zu spielen.

Michael Titze: »Das genau ist die Idee des therapeutischen Humors: das auszuspielen, was man bisher abgewehrt hat oder wofür man sich geschämt hat, was man versucht hat zu kontrollieren. Man bezeichnet das als Humordrama, indem genau das in Szene gesetzt wird, was der sogenannte Patient bisher mit ganz viel Willensanstrengung unterdrücken und abwehren wollte, und das ist ja eigentlich die Krankheit.«

Und so kann es geschehen, dass einer, über den gelacht wurde, nun über sich selber lacht. Er lacht über seine eigene Unzulänglichkeit, über seine Ängste, er lacht sie weg. Wenn solche Menschen ihr inneres Kind wiederentdecken, freiwillig und bewusst den Clown machen, dann ist das Therapieziel erreicht. Aber wie nachhaltig ist dieser Therapieeffekt?

Michael Titze: »Also wenn es jetzt nur Übungen wären, in denen etwas trainiert oder neu eingeübt wird, dann wäre es sicher so, dass sich das irgendwann wieder verliert. Aber wie sagte Viktor Frankl schon? Beim therapeutischen Humor geht es um die Umstellung der Einstellung, d.h. es geht letztendlich darum, eine neue Haltung zum Leben, zu sich selbst und zu den anderen nicht nur einzuüben, sondern philosophisch und ganzheitlich zu erkämpfen, zu erarbeiten, da hineinzuwachsen. Wenn man das verstanden hat, dann ist der Mensch in der Lage, keine wesentliche große Angst mehr vor dem zu haben, was uns alle umtreibt, nämlich die Befürchtung, Prestige zu verlieren, in den Augen der anderen nicht mehr gut dazustehen, die ganzen Versagensängste eben. Man kommt dann sehr schnell auch zu den Erkenntnissen der Philosophen, z.B. von Jean Paul, der vor 200 Jahren schon gesagt hat, Humor ist eine Umkehrung der Erhabenheit.«

Bei einer Bundestagssitzung erklärte Helmut Kohl: jetzt ist nicht die Stunde des Vernebelns und Beschönigens, jetzt ist die Stunde des Mutes. Da rief Herbert Wehner dazwischen: Mittag ist jetzt!

Michael Titze: »Humor bedeutet, nichts mehr wirklich ernst zu nehmen, selbst das nicht, was einem das eigene Gewissen, das eigene normative System sagt. Viktor Frankl sagte, man braucht sich nicht alles gefallen lassen, nicht einmal von sich selbst.«

Der jüdische Arzt und Psychotherapeut Viktor Frankl und seine Familie wurden 1942 ins KZ deportiert. Nach 3 Jahren wurde er von den Amerikanern befreit. In seinem Buch Trotzdem Ja zum Leben sagen beschreibt er seinen Leidensweg und die Überlebensstrategien im Lager. Eine davon war Humor. Er verschreibt seinen Leidensgenossen eine tägliche Dosis Lachen, indem er etwas Komisches zum Besten gibt.

Oft erfanden die Kameraden selber solche Geschichten, indem sie etwa prophezeiten, in feiner Gesellschaft zum Abendessen eingeladen zu werden, und sie würden sich beim Einschenken der Suppe vergessen und die Herrin des Hauses, so wie zum Mittag den Capo im Lager darum anbetteln, dass man ihnen die Suppe von unten schöpfe, so dass ein paar Erbsen oder gar eine halbe Kartoffel im Teller schwimmt.

Humoristische Mittel sind nicht nur in der Therapie gefragt. Auch im Alltag ist die Fähigkeit nützlich, nicht alles ernst zu nehmen. Ansonsten schlagen die Wogen von Stress, Überforderung, perfekt sein zu wollen, leicht über einem zusammen. Denn, so Michael Titze, wir leben in einer Überbietungsgesellschaft.

Michael Titze: »In einer Überbietungsgesellschaft, in der eigentlich jeder möglichst gut dastehen will. Also möglichst erfolgreich sein, möglichst jugendlich, möglichst fit, möglichst intelligent, möglichst schön. Das gelingt natürlich einigen wenigen, die dann auch in den Medien entsprechend hochgehoben werden. Aber diejenigen, denen das nicht gelingt, die das nicht erreichen, haben dann natürlich ein Minusgefühl. Das führt dann zu Verbitterung und Unzufriedenheit usw.
Der Humor ist ein hervorragendes Mittel, diesen Überbietungsanspruch zu relativieren und in eine Welt zu gelangen, in der die Philosophie und die Mystik immer schon zuhause waren. Es ist dies die Welt der Reduktion.«

Die Mystikerin Teresa von Avila war fröhlich und humorvoll. Als sie während eines Klosterbesuches mit sichtlichem Appetit ihr Leibgericht verspeiste, machte eine Dienstmagd eine abfällige Bemerkung, worauf sie erwiderte: »Merke dir, wenn Rebhuhn dann Rebhuhn, wenn Buße, dann Buße.«

Also gilt es, bescheidener zu werden und die anderen mit Ironie zu betrachten, die sich abstrampeln beim Tanz ums goldene Kalb. Aber was ist mit den Menschen, die schon mehrere Jahre arbeitslos sind? Die zu einer äußerst bescheidenen Lebensweise gezwungen sind und deren Selbstwertgefühl gegen Null tendiert?

Michael Titze: »Ich würde in diesem Fall immer empfehlen, in die Reduktion zu gehen und sich auf das einzustellen, was am heutigen Tag oder in den nächsten 30 Minuten machbar ist, um die Lebenssituation ein ganz klein wenig zu verbessern. Wenn ich mir vorstelle, wie ich in den nächsten 5 Jahren Millionär werden kann, oder wie ich es in den nächsten Jahren schaffe, wieder voll ins Berufsleben zurückzukommen, dann wird sich mir wahrscheinlich die Vorstellung aufdrängen, das mir dies sowieso nicht gelingen wird. In der Welt des Humors gelten die kleinen Erfolge. Das ganz Große gehört nicht zur Welt des Humors.«

Bei der Beerdigung eines alten Komödianten sind viele betagte Kollegen anwesend. Während der Trauerfeier fragt einer von ihnen seinen Nebenmann: »Wie alt bist du, Charly?« »Neunzig, lohnt sich wohl kaum nachhause zu gehen, was?«

Es ist ein Lachen unter Tränen, das für Momente den Schrecken und die Angst bremst.

Mit der Trotzmacht des Geistes, so die Formulierung von Viktor Frankl, kann der Mensch seinem Unglück, seinem Leiden und seiner Unvollkommenheit entgegentreten. Und so könnte man formulieren: die Trotzmacht des Humors lässt uns manche Böswilligkeit des Lebens ertragen, sogar den nahenden Tod.

Michael Titze: »Und zwar ist das immer dann möglich, wenn ich mich rückblickend auf das besinne, was in meinem Leben gelungen ist. Viktor Frankl hat schöne Beispiele dazu gebracht. Er hat zum Beispiel gesagt: Manche Menschen fühlen sich so wie ein Bauer mitten im November. Er steht also vor dem abgeernteten Getreidefeld, dem Stoppelfeld, der Regen peitscht herunter. Nebel hüllt alles ein, es ist grau in grau. Und doch hat dieser Bauer ein Gefühl tiefster Befriedigung, weil er nämlich weiß, diese Stoppelfelder verweisen auf Scheuern, die voll sind. Dieses Gefühl der Befriedigung hätte er im Frühling, als alles anfing, niemals haben können, weil da nicht sicher war, wie die Ernte überhaupt ausfällt. Erst im späten November ist es ganz sicher, dass die Ernte eingefahren wurde.«

Die Lebensspanne ist dieselbe, ob man sie weinend oder lachend verbringt.
Japanisches Sprichwort.

Michael Titze: »Wenn wir am Ende angelangt sind, dann ist der Anfang und die gesamte Lebensspanne immer mitgegeben. Deshalb sollte sich der Mensch immer auf das besinnen, was ihm im bisherigen Leben gelungen ist, was für ihn selbst positiv war. Denn am Ende des Lebens kann nichts mehr schief gehen.«