Michael Titze: »Guten Abend.«
Dieter Voss: »Ich möchte mich auch gleich dafür bedanken, dass Sie Ihr neuestes Buch mitgebracht haben. Da kommen wir dann später drauf zu sprechen. Sie haben mittlerweile ja schon so wahnsinnig viele Bücher geschrieben. Sie sind ja, kann man wohl sagen, einer der renommiertesten Lachforscher in Deutschland überhaupt. Seit wann beschäftigen Sie sich eigentlich mit dem Lachen?«
Michael Titze: »Vor allem bin ich einer der ältesten. Ich habe vor zwanzig Jahren damit angefangen und habe 1985 ein erstes Buch zum Thema 'Therapeutischer Humor' geschrieben. Damals war das noch nicht selbstverständlich. Ich bin von einigen Kollegen belächelt worden, das gehört aber zum Humor und ich habe mir gesagt, Humor ist, wenn man es trotzdem macht und irgendwann auch drüber lacht. Ich freue mich, dass ich durchgehalten habe. Inzwischen ist es ja so, dass sehr viele Kollegen das Lachen entdeckt haben, in der Psychotherapie, aber auch anderswo. In den Kliniken gibt es Klinikclowns, und es gibt inzwischen nicht nur in Deutschland sehr viele Lachclubs. Ich habe vor kurzem gehört, dass 40 000 Menschen in diesen Lachclubs irgendwie organisiert sind, d.h., sie haben keine Statuten, keine Satzung, aber sie gehen regelmäßig hin und sie treffen sich einfach zu dem einen Zweck: zu lachen, ohne zu sprechen, ohne vernünftig zu sein, sondern einfach so zu sein wie Kinder.«
Dieter Voss: »Vielleicht haben wir die Möglichkeit, das heute Abend mal zu simulieren. Das finde ich ganz interessant. Einfach so, auf eine ganz besondere Art und Weise miteinander umgehen und irgendwann kann man sich wahrscheinlich nicht mehr halten vor Lachen. Sie haben gerade gesagt, dass sich die Psychologen erst allmählich auch mit dem Lachen beschäftigt haben. Spontan sage ich, es war höchste Zeit, dass man die Kraft, die Energie und die Möglichkeiten entdeckt, die im Lachen stecken.«
Michael Titze: »Ja, das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass wir in einer Zeit leben, die tatsächlich schwieriger wird. Ein amerikanischer Soziologe hat festgestellt, dass ein junger Mensch, der sein Berufsleben beginnt, davon ausgehen muss, dass er sein Basiswissen viermal komplett erneuert, bis er in Rente kommt. Das gab es früher nicht.
Existentielle Nöte wie die Arbeitslosigkeit werden zu einem zunehmenden Problem. Sinnkrisen tun sich auf, die sicher auch mit dem Werteverfall zusammenhängen. Es gibt immer weniger verbindliche Werte in unserer Gesellschaft - mit einer Ausnahme: Dieser eine Wert wird für immer mehr Menschen zunehmend wichtig. Es ist die Motivation, erfolgreich zu sein, alles perfekt zu machen, möglichst weit nach oben zu kommen. Und das setzt viele Menschen so unter Stress, macht sie nervös und unzufrieden. Sie wissen dann nicht, wie sie es anstellen sollen, dass sie ein klein bisschen wieder in die heitere Stimmung zurückkommen, die sie als Kinder gehabt und dann leider verlernt haben.«
Dieter Voss: »Da ist ihnen das Lachen im Laufe des Lebens verlorengegangen. Vergangen. Und der Ernst des Lebens hat dann gesiegt, was ja ganz schade ist. Herr Dr. Titze, ich will eine Sache noch ansprechen. Es ist ja ein Thema heute, dass es dem Papst nicht gut geht. Wir haben uns natürlich auch überlegt, ob wir heute Abend eine Talksendung mit dem Titel Lachen ist gesund machen sollen, denn vielen Menschen ist im Moment sicherlich nicht zum Lachen zumute und sie machen sich Sorgen um den Papst. Wir haben lange darüber nachgedacht und wir haben uns dazu entschieden, diese Sendung trotzdem zu machen. Ich glaube Herr Dr. Titze, das ist auch ganz in Ihrem Sinne, oder?«
Michael Titze: »Es ist in meinem Sinne. Einer meiner Lehrer, der wichtigste Lehrer, den ich hatte im Hinblick auf den therapeutischen Humor war Viktor Frankl, der vor vier Tagen 100 Jahre alt geworden wäre. Viktor Frankl hatte, wie ja bekannt ist, drei Jahre in KZs verbracht. Er war auch in Auschwitz und er hat in seinem Buch Trotzdem Ja zum Leben sagen beschrieben - und das ist wirklich sehr bemerkenswert -, wie er in Auschwitz nachts, wenn die Häftlinge in ihren Baracken lagen und wenn sie von Ängsten und Sorgen überwältigt waren, wie er es mit einfachen Mitteln geschafft hat, diejenigen, die in seiner Nähe waren, zum Lachen zu bringen. Ich denke, das ist etwas so Großartiges, dass es das unter Beweis stellt, was Frankl immer wieder gemeint hat, wenn er das Lachen und den Humor als die Trotzmacht des Geistes bezeichnet hat.«
Dieter Voss: »Ja. Und die ist ganz wichtig in nahezu jeder Situation und das hat nichts mit Respektlosigkeit zu tun. Ich freue mich, dass Sie das auch so sehen und dass wir diese Sendung heute Abend machen mit der Überschrift Lachen ist gesund. Ich hoffe, liebe Hörer, Sie haben auch ein bisschen Lust heute Abend mit uns zu talken. Vielleicht können Sie uns Geschichten erzählen, wo Sie so richtig herzhaft lachen mussten. Lassen Sie uns teilhaben an irgendwelchen lustigen Ereignissen. Vielleicht können Sie uns auch sagen, wie es Ihnen im Leben so geht. Lachen Sie oft, oder gehören Sie eher zu den Menschen, die viel zu selten lachen?
Da gibt es eine Entwicklung vom Kindesalter, Herr Dr. Titze, bis zum Erwachsenenalter. Vielleicht können Sie die Zahlen gerade mal ...«
Michael Titze: »Ja. Ich hab' ein bisschen Statistik im Kopf. Forscher haben festgestellt, dass Kinder bis zu 400 Mal am Tag lachen, Erwachsene nur 15mal. Das gibt zu denken. Überhaupt kann man davon ausgehen, dass das Kind, das innere Kind, wie man auch sagt, unser Lehrmeister ist, wenn es um Heiterkeit und Lachen geht. Das hat Erich Kästner schon sehr schön festgestellt. Er sagte: 'Manche Menschen werden erwachsen und legen die Kindheit wie einen alten Hut ab. Aber das ist falsch. Nur wer Erwachsener wird, und Kind bleibt, ist ein ganzer Mensch.' Das heißt, wenn wir beides haben, wenn wir die Fähigkeit besitzen, so zu sein wie Kinder, also weniger vernünftig, mehr aus dem Bauch heraus, (Stichwort: emotionale Intelligenz!) und wenn wir uns keine großen Gedanken über den Ernst des Lebens machen, wenn wir gelegentlich auch blödeln und spielen - dann können wir zwanglos auch das viel besser umsetzen, was den Erwachsenen ausmacht, nämlich vernünftig sein, logisch sein. Denn wir tun dies aus der Heiterkeit heraus. Einem heiteren Menschen gelingt all das sehr viel leichter, was ein ernsthafter, gedankenschwerer, melancholischer Mensch nur durch eine disziplinierte Anstrengung hinkriegt.«
Dieter Voss: »Sie haben es gehört, liebe Hörer. Wie ist es um Ihr inneres Kind bestellt? Ist das noch vorhanden, oder ist es irgendwann ganz klein geworden und lebt ein bisschen im Hintergrund, was schade wäre. Wir können heute Abend natürlich auch darüber sprechen, wie man es lernen kann, wieder mehr zu lachen. Lachen als Therapie. Herr Dr. Titze wird uns das sicher aus seiner Praxis, aus seiner reichen Erfahrung erzählen können. Ich hoffe auf eine rege Teilnahme. Sie sind Lachforscher, Herr Dr. Titze. Da gibt es auch ein Fremdwort und das heißt Gelotologe.«
Michael Titze: »Ja, das hört sich an wie 'gelati', aber es kommt nicht von Speiseeis, sondern vom griechischen Wort gelos, was Gelächter meint. Gelotologie bedeutet also nichts anderes als Lachforschung.«
Dieter Voss: »Aber wenn Sie irgendwo gefragt werden, was Sie von Beruf sind und Sie sagen, Sie sind Gelotologe, wissen die meisten wahrscheinlich nicht, was damit gemeint ist.«
Michael Titze: »Ja. Aber die meisten geben es nicht zu und sagen dann, ach so.«
Dieter Voss: »Ich muss ehrlich sagen, ich hätte es auch nicht gewusst, wenn ich mich nicht darauf vorbereitet hätte. Lachen ist gesund, das ist unser Thema. Lachen hat ja auch direkte Auswirkung auf unseren Körper. Welche denn?«
Michael Titze: »Wenn man lacht, dann wird zunächst eine völlig andere Form der Atmung aktiviert. Es ist die Lachatmung, die so funktioniert, dass man tief einamtet und dann schnell ausatmet. Dadurch kommt natürlich sehr viel mehr Sauerstoff in den Körper, ins Blut und ins Gehirn und man ist hellwach. Das Faszinierende, das hat die Gelotologie nachgewiesen, ist, dass sich einiges in unserer chemischen Fabrik im Körper verändert. Zum Beispiel wird das Immunsystem gestärkt und die Blutinhaltstoffe, die notwendig sind, um Infekte, aber auch entartete Zellen in Schach zu halten werden aktiviert. Es gibt sogar Hinweise dafür, dass selbst Krebszellen über die Aktivierung dieser Immunsubstanzen vielleicht eliminiert werden können. Aber das weiß man noch nicht so ganz genau.
Es gibt aus Amerika Berichte, aus den so genannten Sterbekliniken, (Stichwort: Hospiz!), dass Menschen, die regelmäßig ein Lachtraining machen, ihre Chance länger zu leben, steigern können. Es sind vielleicht zwei bis drei Jahre. Aber das ist etwas, was man statistisch nachweisen kann. Es ist noch nicht hundertprozentig sicher, ob es nur durch das Lachen kommt, oder auch mit der heiteren Atmosphäre zusammenhängt, die in diesen Einrichtungen vorherrscht. Doch die Hinweise sind so stark, dass es in immer mehr amerikanischen Kliniken Lachprogramme hat, und das scheint jetzt langsam nach Europa zu kommen.
In England werden klinische Lach- oder Humorexperten teilweise von der Krankenversicherung bezahlt. Bei uns, dass ist das Schöne, gibt es an immer mehr Kliniken die so genannten Klinikclowns. Das sind Enthusiasten, die das umsonst machen. Die in die Krankenzimmer gehen, um Kinder, inzwischen auch Erwachsene, alte Leute, systematisch in eine heitere Stimmung zu versetzen - nicht direkt zu einem lautstarken Lachen zu bringen, aber immerhin soweit zu erheitern, dass diese kranken Menschen wieder optimistisch werden. Man hat festgestellt, dass die Verweildauer von Patienten in Kliniken, in denen diese Programme sind, kürzer ist.«
Dieter Voss: »Also es ist nicht nur einfach so ein Sprichwort, Lachen ist gesund, sondern es scheint auch wirklich etwas dahinter zu stecken. Da bin ich einmal gespannt, ob unsere erste Hörerin heute Abend, das ist Frau Glas, uns da recht gibt. Schönen guten Abend Frau Glas.«
Frau Glas: »Wunderschönen guten Abend.«
Dieter Voss: »Haben Sie heute schon gelacht?«
Frau Glas: »Ja. Wir lachen sehr viel.«
Dieter Voss: »Das hört sich gut an.«
Frau Glas: »Doch. Also wir sind ein Team und haben viel Spaß miteinander. Ich weiß nicht ob es daran liegt, dass mein Mann und ich erst vier Jahre verheiratet sind. Aber die Geschichte, um die es geht, ist folgende: Mein Mann musste zu einer By-pass-Operation ins Krankenhaus. Da sollten vier Bypässe gemacht werden im November letzten Jahres. Da war dann an diesem Tag im Krankenhaus ein Vorgespräch mit dem Arzt. Der hat uns über Risiken und alles mögliche aufgeklärt. Und wie er fertig war, sagte ich so ein bisschen schlagfertig: »Ja und wenn Sie fertig sind, machen Sie dann einen Reißverschluss rein?« Da guckte er mich an und wusste gar nicht, wie er reagieren soll. Er war ein bisschen hilflos. Da schaute mein Mann mich an und sagte dann zum Arzt gewandt: »Ach wissen Sie, meine Frau, die staubt so gerne ab, die braucht das.«
Dieter Voss: »Das ist doch ein positiver Umgang mit dem, was einem das Leben so bietet. Herr Dr. Titze, Sie nicken schon so.«
Michael Titze: »Ja, ich denke, das, was Sie eben erzählt haben, ist ein Beispiel für Schlagfertigkeit. Ein Bekannter von mir arbeitet in einer Firma, in der es ziemlich streng zugeht. Eines Tages wurde er zu einem Gespräch bei seinem Chef einbestellt. Er verspätete sich aber um fünf Minuten. Als er rein kam, blickte ihn der Chef ziemlich streng und böse an und schaute bedeutungsvoll auf seine Armbanduhr. Mein Bekannter fragte ihn mit Unschuldsmiene: »Kann man mit der auch tauchen?«
Frau Glas: »Das könnte auch von mir sein!"
Dieter Voss: »Das glaube ich Ihnen, so wie ich Sie heute Abend kennen gelernt habe. Unser Motto lautet ja heute Abend Lachen ist gesund. Glauben Sie auch, dass das gesund und vielleicht auch jung hält?«
Frau Glas: »Ja. Das könnte ich mir vorstellen. Mein Mann ist 76 und ich bin 63 Jahre alt. Wie gesagt, wir haben schon viel gelacht im Leben, das heißt, jetzt die letzten vier Jahre, in denen wir zusammen sind und auch vorher schon. Ich bin ein positiver Mensch und habe es immer gerne, wenn es harmonisch zugeht, auch in der Firma. Ich bin nicht mehr berufstätig, aber ich hab' früher mal bei den Amerikanern gearbeitet. Da kam einmal ein General zum fotografieren. Der hatte ein Hemd an, das war ein paar Nummern zu klein. Wenn ich ihn fotografiert hätte, hätte es geheißen, ja hat denn das der Fotograf nicht gesehen? Ich bin Fotografin.
Also musste ich mir überlegen, wie sage ich es dem General, ein Dreisterne-General war es, dass sein Hemd zu klein ist und dass er ein neues braucht. Dann habe ich ihn ganz langsam an den Spiegel geführt und habe es ihm gesagt. Er antwortete: »Meine Liebe, natürlich haben Sie recht!" Und er freute sich so richtig und sagte: »Meine Frau ist daran schuld.« Ich sagte: »Nö, eigentlich gucken Sie doch auch in den Spiegel, oder nicht? Sie können doch Ihrem Fahrer sagen, dass er nachhause fahren soll und Ihre Frau legt das Hemd schon zurecht. Ich will doch nicht Ihre kostbare Zeit in Anspruch nehmen, dass Sie noch einmal kommen müssen.« Darauf erwiderte er: »Ja, das ist ja wundervoll.« Und dann bekam ich anschließend - da war mein Chef noch mit dabei und lauter hohe Leute - eine Medaille, eine Auszeichnung geschenkt. Auf jeden Fall hält Lachen fit und gesund. Lachen bringt die Menschen in positive Stimmung.«
Dieter Voss: »Lachen ist gesund, unser Thema heute Abend. Dr. Michael Titze, Psychologe und Lachforscher ist auch Vorstand von Humor-Care. Humor-Care könnte man übersetzen mit Humor-Fürsorge oder wie würden Sie es übersetzen?«
Michael Titze: »Ja, ja, wir denken an die Care-Pakete, das war etwas Gutes. Man hilft anderen Menschen. Wir versuchen denjenigen, die zu sehr im Ernst des Lebens verfangen sind, dazu zu verhelfen, dass sie wieder zurückfinden zu den Ursprüngen, zu dem Lachen und der Heiterkeit des Kindes. Und wir versuchen ihnen Möglichkeiten aufzuweisen, wie sie anderen Menschen, z.B. in der Klinik, oder in den Lachclubs, die ich schon erwähnt habe, helfen können, das umzusetzen.«
Dieter Voss: » Das heißt, Humor-Care ist eine Organisation zu der Leute, Therapeuten gehören, die das Lachen therapeutisch einsetzen.«
Michael Titze: »Nicht nur Therapeuten. Es sind Krankenschwestern, Sozialarbeiter, Erzieher, Lehrer und natürlich viele Laien.«
Dieter Voss: »Wie müssen wir uns das denn vorstellen, Herr Dr. Titze? Wenn Sie mit einem Patienten arbeiten und Sie setzen die Lachtherapie ein, wie funktioniert das?«
Michael Titze: »Ich mache das in Gruppen, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass man zum Lachen vor allem innerhalb einer Gruppe kommt. Alleine lachen, ist ein bisschen schwieriger. Die Gelotologen haben festgestellt, dass man in Gesellschaft 30igmal mehr lacht, als wenn man das allein versucht. Das heißt, in einer Gruppe ist es möglich, Menschen dazu zu bringen, das Lachen als ein soziales Schmiermittel zu erleben. Menschen, die zusammen lachen, schaffen es, eine Brücke zueinander aufzubauen. So werden sie zu einer Lachgruppe verschmolzen, und das war wahrscheinlich auch schon vor 100 000 Jahren der Fall.
Es gibt Forschungsberichte von Verhaltensforschern, die belegen, dass das Lachen in einer Zeit entstanden ist, als unsere Vorfahren noch nicht miteinander sprechen konnten. Da war das Lachen ein Signal dafür, dass eine Gefahr überwunden war, also dass Angreifer, und gefährliche wilde Tiere erlegt oder verscheucht wurden. Das anschließende Lachen war ein befreites Triumphgeschrei, das kundtat: die Gefahr ist vorbei! Den Angehörigen der eigenen Sippe, die vielleicht etwas weiter weg waren, signalisierte dieses Lachen gleichzeitig: jetzt können wir uns gesellig zusammentun, wir können uns freuen, wir können Sicherheit empfinden. So wird das Lachen am Anfang der Entwicklung des Menschen wahrscheinlich die Bedeutung einer kommunikativen Mitteilung gehabt haben, das Freude, Heiterkeit und Mitmenschlichkeit signalisierte.«
Dieter Voss: »Das war jetzt ganz interessant, wie man sich vorstellt, wie man sich erklärt, wie das Lachen überhaupt entstanden ist. Es war von Anfang an eigentlich ein positives Signal und das ist es auch heute noch. Und es ist auch einleuchtend, dass das alleine gar nicht so richtig funktionieren kann. Denn wem soll man etwas signalisieren, wenn man alleine ist?«
Michael Titze: »Ein häufiger Auslöser für ein einsames Lachen ist die plötzliche Erinnerung an lustige, komische oder erheiternde soziale Situationen. Wenn wir uns erinnern, wie wir mit anderen zusammen fröhlich gewesen sind, kommt in der Regel Heiterkeit auf. Auch das ist ein Hinweis dafür, dass andere Menschen wichtig sind, damit wir zusammen lachen können.«
Dieter Voss: »Das kann ich nur unterstreichen! Wie oft passiert das: Ich gehe von der Arbeit nachhause, ich hatte ein lustiges Erlebnis hier in der Sendung, ich hab' mich versprochen, darüber könnte ich mich sowieso immer kaputtlachen, wenn ich mich verspreche. Oder mit Kollegen passiert etwas Lustiges, aber dann ist noch ein bisschen Stress und Arbeit und mir wird das erst bewusst, wenn ich auf dem Weg nachhause bin. Dann muss ich plötzlich einfach lachen und ich denke, reiß dich zusammen, die Leute denken ja, du hast nicht alle Tassen im Schrank. Da geht jemand über die Straße und lacht alleine so vor sich hin. Das kann doch auch ein Effekt sein, dass man misstrauisch wird, wenn jemand lacht, oder dass es auch verunsichern kann, vielleicht.«
Michael Titze: »Ja. Das ist ein großes Problem in der Therapie. Das nimmt in unserer heutigen Zeit auch immer mehr zu. Das ist die Angst vor dem Ausgelachtwerden. Auch hier ein Fremdwort: Gelotolophobie, Sie wissen ja: 'gelos', das Lachen - Phobie, die Angst - Gelotophobie also Angst vor dem Ausgelachtwerden. Gerade heutzutage haben viele Menschen unheimlich viel Angst, vor den Augen der anderen nicht so gut dazustehen. Das ist bei Jugendlichen, bei Kindern schon so. Die wollen unbedingt 'cool' sein: sich dem vorherrschenden Trend entsprechend richtig kleiden, Hobbys haben, die »in" sind, tolle Autos oder Musikgeräte haben. Wenn Jugendliche das alles nicht haben, dann denken sie häufig, dass sie nicht dazugehören. So entsteht der Stress erzeugende Zwang, immer besser zu sein, immer mehr Eindruck auf andere zu machen. Wenn wir es schaffen, diesen Zwang zum Perfektsein ins Lächerliche zu ziehen, also umzukehren, dann kommen wir wieder an eine ursprüngliche Haltung heran, die uns mit dem unbefangenen inneren Kind in Verbindung bringt.
Um dies zu erreichen, können wir uns auch entsprechender Techniken bedienen. Das wären Schlagfertigkeitstechniken, die man Menschen, die unter Gelotophobie leiden, beibringen kann. Zum Beispiel die Judotechnik. Sie eignet sich besonders, um auf verbale Angriffe mit übertriebener Selbstironie zu kontern. Nehmen wir an, ein Kollege sagt zu einer Kollegin: »Sie haben aber ein aufdringliches Parfüm.« Sie nimmt diesen Angriff nicht nur an, sondern setzt noch eins drauf: »Sie haben recht. In Brasilien tötet man damit Termiten.« Damit macht sie sich in einer so übertriebenen Weise über sich selbst lustig, das ihr das niemand mehr abnehmen kann! Oder stellen wir uns jemanden vor, der zu einem Bekannten sagt: »Sie haben aber ganz schön zugenommen.« Antwort: »Sie haben ja so recht! Kürzlich ist der Lift abgestürzt, als ich einstieg.« Das heißt, man greift das auf, nimmt das als Chance, was uns eigentlich der Lächerlichkeit preisgeben sollte. Indem der entsprechende Spott ganz bewusst und ausgiebig übertrieben wird, nimmt man dem Angreifer den Wind aus den Segeln. Für gewöhnlich wird er mit einem versöhnlichen Lächeln reagieren - und schon ist die zwischenmenschliche Brücke hergestellt. Selbstironie ist daher das beste Mittel den anderen (a) davon abzubringen, uns zur Zielscheibe seiner Verspottung zu machen und (b) ihn gleichzeitig günstig zu stimmen, ihm die Angst zu nehmen, dass man weiterhin Rivale sein könnte, mit dem man sich unbedingt auf einen Machtkampf einlassen muss.«
Dieter Voss: »Ganz genau. Judotechnik, nennt man das, haben Sie gesagt.«
Michael Titze: »Im Judo wird nicht das gemacht, was man beim Schlagabtausch, beim Boxen macht, also gegeneinander kämpfen bis einer zu Boden geht. Im Judo wird der Angreifer, ganz im Gegenteil, zum Verbündeten gemacht, indem seine Bewegungsenergie, sein Angriff dankbar aufgenommen und zusätzlich unterstützt wird.«
Dieter Voss: »Ein schönes Bild.«
Dieter Voss: »Jetzt haben wir Herrn Fachinger am Telefon. Herr Fachinger, was haben Sie zu diesem Thema zu sagen?«
Herr Fachinger: »Eigentlich nur einen kurzen Satz, nämlich: Der beste Weg kann einem die schlechteste Laune verderben.«
Dieter Voss: »Da gebe ich Ihnen recht. Im miteinander Lachen kann man auch die schlechte Laune ein bisschen kompensieren.«
Herr Fachinger: »Das ist mein Hobby. Da gibt es ja z.B. auch das Mobbing.«
Dieter Voss: »Das ist auch so ein Feld von Herrn Dr. Titze. Mobbing gehört ja zu den Phänomenen, dass wir heute in einer sehr gespannten Zeit leben. Herr Dr. Titze, was sagen Sie zu dieser Problematik?«
Michael Titze: »Als Antwort kann man sagen: auch hier haben uns die Anthropologen, also die Forscher, die sich mit unseren Vorfahren vor vielen Jahren, vielleicht vor 100.000 Jahren, befassen, wichtige Hinweise gegeben. Man vermutet, dass es damals so gewesen ist, dass das Lachen zwei Bedeutungen hatte. Die eine war aggressiv. Man hat den Gegner über das Lachen, im Sinne einer Zähne fletschenden Drohgebärde auf Distanz gehalten. Die andere Bedeutung des Lachens verweist nach innen, in die Gruppe, wo das Lachen als 'soziales Schmiermittel', eine verbindende Wirkung hat. Das heißt, das Auslachen des Gegners, das war eine sehr wichtige Funktion, um den anderen einzuschüchtern. Und genau das wird auch beim Mobbing bezweckt.
Auf diesen Effekt greifen heutige Eskimos zurück, die regelrechte Lachkämpfe veranstalten. Allerdings mit einem sportlich-heiteren Hintergrund: Wenn sich zwei Stämme in einem Konflikt befinden, dann kämpfen sie nicht wirklich gegeneinander. Vielmehr fangen ihre Häuptlinge an, sich mit ironischen und sarkastischen Bemerkungen, mit bissigem Witz zu verspotten. Gewonnen hat der Stamm, dessen Häuptling die meisten Lacher auf seiner Seite hat, der also am schlagfertigsten ist! Wenn einer von beiden es schafft, auch den gegnerischen Stamm zum Lachen zu bringen, dann ist der Konflikt schon vorbei. In gewisser Weise entspricht dieses Wortgefecht der Routine unserer Comedy-Shows. Und es folgt dem Motto des britischen Satirikers George Mikes, der einmal sagte: 'Selbst der aggressivste Witz ist besser als der unaggressivste Krieg!'
Trotzdem sieht man, dass das Lachen auch aggressive Wirkungen haben kann, die durchaus nicht harmlos sind. Denn es wird Angst erzeugt. Angst ist die Reaktion auf eine Aggression, der gegenüber sich der betreffende Mensch machtlos fühlt, gegen die er sich nicht wehren kann. Das ist leider zunehmend in unseren Schulen der Fall: Manche Kinder können sich überhaupt nicht gegen die Verspottungen ihrer Klassenkameraden wehren. Und das entspricht genau der Wirkung von Mobbing! Die Folge ist, dass es zu einem sozialen Rückzug, einem Ausscheren aus der Gemeinschaft kommt, was die Betreffenden stets in die Position des komischen Außenseiters bringt, der dann noch mehr verspottet wird! Deshalb ist es wichtig, dass man Methoden entwickelt, ganz einfache Methoden, um die Angst vor dem Ausgelachtwerden in den Griff zu bekommen. Und wie schafft man das? Man schafft es dadurch, dass man ganz bewusst versucht, sich selbst in eine Position zu bringen, die eigentlich lächerlich ist.
In der Psychotherapie gibt es entsprechende Übungen. Eine sehr effiziente Methode, die Albert Ellis, ein großer amerikanischer Psychologe, entwickelt hat. Er beschrieb die sogenannten Schamüberwindungsmethoden, die in Gruppen durchzuführen sind. Dabei geht es z.B. darum, vor einer Gruppe von Leuten etwas Dummes zu sagen, sich ganz bewusst dumm zu stellen. Oder es soll eine Schwäche zugeben werden, die die meisten Menschen normalerweise verachten. Zum Beispiel soll ein Teilnehmer vor Dritten erklären: 'Ich kann nicht buchstabieren'. Andere Teilnehmer sollen sich komisch verhalten, indem sie auf der Straße singen, oder an einem sonnigen Tag einen schwarzen Regenschirm aufspannen. Oder sie sollen versuchen, eine Uhr bei einem Schuster reparieren zu lassen. Oder in ein Geschäft gehen und nach einem Schraubenzieher für Linkshänder fragen usw.
Wenn man das trainiert hat und wenn man die kritischen Blicke der anderen nicht nur erträgt, sondern vielleicht schmunzeln muss und dann lernt, dass es möglich ist, auch die anderen zum Schmunzeln zu bringen, dann ist das Problem der Gelotophobie gelöst.«
Dieter Voss: »Das muss man natürlich lernen. Wie man da hin kommt, da können wir vielleicht auch noch mal drüber sprechen. Lachen ist gesund, das ist unser Thema heute Abend. Wenn Sie uns etwas zum Thema Lachen erzählen möchten, herzlich gerne, wir freuen uns auf Ihre Geschichten. Worüber können Sie lachen, worüber können Sie nicht lachen? Kennen Sie Menschen, die vielleicht griesgrämig durchs Leben gehen? Rufen Sie uns an.
Wir haben ja schon gehört, Lachen kann bestimmte Situationen entkrampfen, kann sie entspannen. Ob das nun am Arbeitsplatz ist, wo man vielleicht von Mobbing spricht, oder ob es vielleicht auch im privaten Bereich ist. Und Herr Dr. Titze, der Experte, unser Studiogast heute Abend, hat uns schon Beispiele genannt, wie man mit solchen Spannungen umgehen kann. Von der Judotaktik haben Sie uns gerade schon erzählt. Vielleicht können wir darauf noch einmal eingehen.
Ich simuliere jetzt mal. Da hab' ich einen Kollegen oder eine Kollegin, die will mir nicht so richtig gut gesonnen sein und ich kann mich wehren durch eine bestimmte Form von Schlagfertigkeit. Was erreiche ich denn damit?«
Michael Titze: »Schlagfertigkeit bedeutet, dass ich zwei Möglichkeiten habe. Entweder versuche ich, intellektuell ganz flexibel und ganz hochstehend zu sein. Dann ist es Glückssache. Manchmal haut es hin und dann haut es auch wieder nicht hin. Das heißt, ich bin in diesem Fall in der Welt des Erwachsenen verankert und versuche, sehr vernünftig und logisch zu sein.
Oder ich mache es so, dass ich mich gezielt in die Welt des Kindes begebe und mich bewusst doof stelle. Dadurch verblüffe ich meinen Kontrahenten, der das so gar nicht von mir erwartet. Er will sich über mich lustig machen, weil ich unfreiwillig komisch bin, es also nicht geschafft habe, die Rolle des typischen Erwachsenen perfekt zu spielen. Wenn ich nun hingehe und mich von vornherein von dieser Rolle verabschiede, mich - mit dem Willen zur Unvollkommenheit - freiwillig auf das Komische einlasse, mich also bewusst dumm stelle, dann habe ich meinem Kontrahenten schon den Wind aus den Segeln genommen - und dann macht das Spotten keinen Spaß mehr!"
Dieter Voss: »Funktioniert das?«
Michael Titze: »Wir üben das in unseren Gruppen. Man muss es ein bisschen üben, aber irgendwann läuft es mühelos, und dann macht es Spaß. Die Leute werfen sich einen Ball zu und gleichzeitig eine Bemerkung, z.B. etwas, das gut in einer Firma passieren könnte, wenn ein Kollege in der Cafeteria grinsend sagt: »Sie arbeiten doch den ganzen Tag, Sie sind ja ein richtiger Workaholic.« Und die Antwort darauf hört sich dann so an, wenn man sich dumm stellt: »Stimmt! Und weil der nur 24 Stunden hat, auch noch die ganze Nacht.« Das ist weder logisch noch besonders witzig, aber komisch ist es schon! Und der andere fühlt sich in seiner scheinbar überlegenen Position bestätigt. Er fühlt sich aber auch entlastet, weil ich nicht gekränkt reagiert habe, sondern ihn in seiner gewünschten Position scheinbar bestätigt habe.«
Dieter Voss: »Ich verstehe. Und beide müssen vielleicht herzhaft lachen, wenn die Bemerkung erst einmal gefallen ist. Hinterher lacht man gemeinsam und dadurch sind dann ganz viele Spannungen abgebaut.
Herr Stefan Terling hat uns angerufen. Schönen guten Abend Herr Terling.«
Herr Terling: »Guten Abend.«
Dieter Voss: »Was haben Sie uns zu erzählen?«
Herr Terling: »Das Lachen und der Humor hilft mir über meine sehr traurige Situation hinweg. Meine Mutter ist leider an einem Schlaganfall vor zwei Jahren gestorben. Der Humor und das Lachen hilft mir sehr viel, über diese Situation hinwegzukommen. Ich schaue z.B. auch sehr gerne Comedy, was mir auch hilft.«
Dieter Voss: »Haben Sie vielleicht die Erfahrung gemacht, dass es Mitmenschen gibt aus dem näheren Umfeld, die dafür dann kein Verständnis haben? Die dann vielleicht sagen, also jetzt ist die Mutter gestorben und der lacht sich da kaputt vor dem Fernseher? Haben Sie diese Erfahrung auch gemacht?«
Herr Terling: »Nein, nicht unbedingt, aber ich muss halt danach gehen, was mich ablenkt. Ich kann da nicht nach anderen gehen, und ich spreche auch nicht mit anderen über die Situation.
Was mich z.B. auch ablenkt ist, ich gehe dreimal die Woche ins Fitness-Studio und das bringt mich natürlich auch auf andere Gedanken. Da kann man total abschalten, denn man muss sich ja auf die Übungen konzentrieren.«
Dieter Voss: »Herr Terling, Dankeschön für Ihren Anruf. Ich wünsche Ihnen, dass Sie weiterhin die Kraft haben zu lachen und sich abzulenken und dass ansonsten die Zeit, die tiefe Wunde, die da sicherlich noch lange vorhanden sein wird, heilen kann.«
»Ich schlage vor, Herr Dr. Titze, dass wir gleich in der nächsten Stunde daran anknüpfen. Das ist ja ein Aspekt, über den wir schon gesprochen haben, auch im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Tod des Papstes. Lachen hat eine Existenzberechtigung, auch in ganz schwierigen und traurigen Situationen. Herr Terling hat das gerade bestätigt.
Es ist ein ganz wichtiges Phänomen, und es ist auch gar nicht selten, dass Menschen auf diese Möglichkeit zurückgreifen, angesichts einer fatalen Situation trotzdem zu lachen.
Michael Titze: »Viktor Frankl hat gesagt, dass Lachen und der Humor der Rettungsanker zum Überleben in Situationen sind, die so schrecklich sind, dass es scheinbar keinen Ausweg mehr gibt. Ich erinnere mich an den Vortrag einer Schülerin von Frankl, Edith Eger, die spät in den Vereinigten Staaten eine sehr bekannte Psychotherapeutin geworden ist.
Sie kam 1944 nach Auschwitz. Sie beschreibt, wie sie zusammen mit ihrer Schwester von Dr. Mengele, dem berüchtigten KZ-Arzt, selektiert wurden und auf die linke Seite vor die Gaskammer geschickt wurden. Nun standen sie dort, die Haare waren ihnen abgeschnitten worden und sie waren unbekleidet. Sie mussten davon ausgehen, gleich getötet zu werden. Edith Eger hat überlebt, denn sie wurde durch einen glücklichen Zufall wieder auf die rechte Seite, also ins Leben zurück geschickt. Sie berichtete in ihrem Vortrag, so wie sie dagestanden seien, in einem Zustand der schrecklichsten Erniedrigung und Hoffnungslosigkeit, hätte ihre Schwester plötzlich sie angeschaut und lächelnd zu ihr gesagt: 'Du hast wunderschöne blaue Augen.' In diesem Moment sei der reale Schrecken für einen kurzen Augenblick gebannt gewesen und sie hätte unwillkürlich lächeln müssen.
Das zeigt, was die Technik des Humors bewirkt: Man nimmt die Realität des Erwachsenen nicht so an, wie sie wirklich ist, sondern konzentriert sich auf die vielen kleinen Aspekte, die das Denken des Kindes bestimmen. Man bezeichnet dies auch als eine Reduktion.
Wenn man es schafft, sich gerade auf die Aspekte zu konzentrieren, die eben nicht schrecklich sind (und die gibt es in jeder Lebenssituation!), kann selbst im Angesicht des Todes so etwas wie eine ganz kurzfristige Heiterkeit entstehen. Und das wäre dann der Keim für die Entstehung weiteren Humors. Viktor Frankl hat dies als die 'Trotzmacht des Geistes' bezeichnet und damit gemeint, dass ich mich entscheiden kann, mich auf etwas einzustellen, zu konzentrieren, was in der gegeben Situation nicht schrecklich ist.«
Dieter Voss: »In diesem Zusammenhang fällt mir auch der Begriff Galgenhumor ein. Was versteht man denn darunter?«
Michael Titze: »Das ist etwas, was Freud sehr genau beschrieb. Er nahm dabei Bezug auf Verbrecher, die damals in Österreich-Ungarn hingerichtet wurden. Für Freud waren dies sehr tapfere Menschen. Und was war der Grund dafür? Dass sie die Logik der Realität nicht akzeptierten! Freud beschrieb einen Delinquenten, der an einem Montagmorgen um 4:00 Uhr morgens zum Schafott geführt wurde. Als er den Scharfrichter erblickte, ging er lachend auf diesen zu und sagte: »Na, diese Woche fängt aber gut an!" Freud meint, in diesem Augenblick habe der Delinquent die Freiheit seines Geistes unter Beweise gestellt - aber unter dieser Voraussetzung: er musste sich unlogisch verhalten.«
Dieter Voss: »Also hat Lachen, auch in ganz extremen Situationen, seine Existenzberechtigung. Ich habe Herrn Terling ja vorhin gefragt, ob da die Umwelt nicht manchmal etwas kritisch reagiert. Ich habe das selbst in bestimmten Situationen auch schon erlebt. Da ist doch jetzt nichts zu lachen, warum lachst du denn da? Ich fühle mich in bestimmten Situationen gut, wenn ich lache. Es hilft mir auch und baut meine Spannung ab. Das heißt aber nicht, dass ich nicht trotzdem traurig bin über irgendein Ereignis. Aber das bedeutet schon, dass viele Leute damit nicht so umgehen können und sich das Lachen in bestimmten Situationen auch verbieten, oder?«
Michael Titze: »Ja, weil wir im allgemeinen davon ausgehen, dass das Lachen nur dann zustande kommen darf, wenn die Umstände hundertprozentig positiv sind, wenn es also gleichsam erlaubt ist. Aber ich denke, die Fähigkeit, humorvoll zu sein, hat auch etwas mit der Entscheidungsfähigkeit des Menschen zu tun, sich auf Aspekte im eigenen Leben einzustellen, die eben nicht nur schrecklich, die nicht nur katastrophal sind. Es gibt immer das Gute im Schlechten, und darauf kann ich mich bewusst einstellen! Ich habe auch die Möglichkeit, mich in meiner Erinnerung auf Situationen in meinem Leben einzustellen, die gelungen waren, die mich befriedigt haben. Ich kann mich auch auf Situationen besinnen, in denen ich anderen Menschen etwas vermittelt habe, was diesen Menschen Anlass zur Freude gewesen ist. Selbstverständlich kann ich mich auch nur auf das konzentrieren, was nicht gelungen ist, was traurig war, was möglicherweise zu den viel zitierten Traumata geführt hat. Aber der Mensch hat die Möglichkeit sich zu entscheiden, so oder so.«
Dieter Voss: »Wir wollen mal hören, was eine Dame, die anonym bleiben will, uns erzählen möchte im HR4 Talk heute Abend. Schönen guten Abend.«
Hörerin (anonym): »Guten Abend. Hier ist eine Hörerin aus Stauffenberg. Wir waren heute mit der HR4-Familie unterwegs, in Hochstadt bei der Firma Höhl und ich habe einen Purzelbaum gedreht.«
Dieter Voss: »Ach, Sie waren die Dame, die heute gefallen ist?!"
Hörerin: »Ja.«
Dieter Voss: »Das muss ich unseren Hörern jetzt erzählen. Ich habe ja gesagt, wir haben einen Ausflug gemacht zur Firma Höhl und eine Dame ist tatsächlich gestürzt und das waren Sie. Wie geht es Ihnen denn?«
Hörerin: »Danke, mir geht es gut.«
Dieter Voss: »Musste da noch etwas getan werden?«
Hörerin: »Ja, es musste genäht werden.«
Dieter Voss: »Ja, das war nämlich die Frage. Wir haben einen Arzt gerufen, der hat Sie versorgt. Er sagte, Sie können aber zuhause noch ins Krankenhaus gehen. Da ist es dann also noch genäht worden. Und es geht Ihnen gut jetzt?«
Hörerin: »Ja, doch. Jetzt kommen die Prellungen so langsam durch, aber deshalb vergeht einem das Lachen trotzdem nicht.«
Dieter Voss: »Das wollte ich jetzt gerade erzählen. Ich musste heute an Sie denken, denn Sie sind gefallen, es hat auch geblutet, aber Sie haben trotzdem Humor gehabt. Sie haben sich gar nicht unterkriegen lassen. Wir sind zusammen in den Waschraum gegangen und haben es so gut wie möglich hingekriegt und Sie haben gestrahlt. Anschließend sind Sie mit uns in die Apfelweinkneipe gegangen, haben sich hingesetzt, haben etwas getrunken und gegessen. Das fand ich Klasse.«
Hörerin: »Ja, man darf sich nicht unterkriegen lassen.«
Dieter Voss: »Ist das so ein Motto Ihres Lebens, eine Erfahrung, die Sie gemacht haben? Dass man allen möglichen Situationen auch mit Lachen und Humor begegnen kann?«
Hörerin: »Ja, auf alle Fälle.«
Dieter Voss: »Das finde ich nett, dass Sie noch mal angerufen haben. Da muss ich mir keine Gedanken mehr machen, da weiß ich, dass es Ihnen gut geht.«
Hörerin: »Ich möchte mich nochmals bei Ihnen und bei der Frau Dr. Höhl dafür bedanken, dass Sie sich so gut gekümmert haben.«
Dieter Voss: »Ja, gern geschehen, das ist selbstverständlich. Dann wünsche ich Ihnen alles Gute.«
Hörerin: »Danke.«
Dieter Voss: »Ja, das war jetzt nett, denn an diese Dame musste ich tatsächlich denken, liebe Hörer und Herr Dr. Titze. Ich meine, wenn ich da fallen würde, gerade in so einer Situation, in der dann auch noch sehr viele Menschen dabei sind, die zugucken, also ich weiß nicht, wie ich reagieren würde. Aber die Dame hat gestrahlt und gelächelt, das fand ich schon Klasse. Dazu gehört wohl auch ein bisschen Lebenserfahrung dazu, oder?«
Michael Titze: »Ja, es ist eine Haltung. Es ist eine Einstellung. Und das kann man lernen. Wenn ich in solchen Situationen meinen Blick auch auf das Komische oder Ungewöhnliche richte, dann entsteht natürlich eine andere Stimmung, als wenn ich davon ausgehe, dass sich so etwas nicht gehört. Wenn ich nur die normative Schiene sehe, nur das Befolgen der Gebote vor Augen habe, dann entsteht ein anderes Gefühl, als wenn ich mir eine problematische Situation mit positiven Augen anschaue.«
Dieter Voss: »Haben Sie vielleicht auch Geschichten liebe Hörer, wo es Ihnen eigentlich mal gar nicht so gut gegangen ist und Sie aber trotzdem dem Schicksal ins Gesicht gelacht haben und wo Ihnen das auch geholfen hat? Oder haben Sie uns etwas ganz anderes zu erzählen zum Thema Lachen? Wir freuen uns über Ihren Anruf.
Unser Studiogast heute Abend ist Dr. Michael Titze, Psychologe, Lachforscher, Gelotologe, wie wir heute Abend schon gelernt haben. Er ist eigentlich ein Medienstar. Ich weiß nicht, Sie waren in so vielen Fernsehsendungen, Herr Dr. Titze und in so vielen Radiosendungen und Sie haben vor allem schon viele Bücher geschrieben. Darf ich auf Ihr neustes Buch mal eben aufmerksam machen? Humor, die Strategie, auf verblüffende Art Konflikte lösen. Es geht ja so in die Richtung, über die wir gerade schon gesprochen haben. An wen richtet sich das Buch eigentlich?«
Michael Titze: »Das ist ein Buch nicht nur für Betroffene, sondern für jedermann. Wir sind so gesehen natürlich alle betroffen von den Zwängen des Erwachsenenlebens. Wir wollen es hundertprozentig machen, wir wollen möglichst gut dastehen, wir wollen nicht lächerlich sein. Viele Leute, die in unsere Seminare und Gruppen kommen, sind eigentlich völlig normal, aber sie haben das Gefühl, dass sie manchmal nicht weiterkommen. Warum? Weil sie meinen, es nicht gut genug zu machen, weil sie alles noch besser hinkriegen wollen. Das Bessere ist aber bekanntlich der Feind des Guten, und so sollten wir uns darin üben, es - mit Hilfe des inneren Kindes - weniger gut, weniger perfekt machen zu wollen. Wir sollten uns darin üben, den Mut zur Unvollkommenheit zu perfektionieren. Dabei können wir dem Beispiel von Woody Allen folgen, der mit seinem absurden Humor gezeigt hat, dass eine logische Bauchlandung neue Perspektiven eröffnen kann. Zum Beispiel stelle er fest: »Es ist unmöglich, unvoreingenommen seinen eigenen Tod zu erleben und ruhig weiterzusingen.' Diese Aussage ist völlig absurd! Ich habe aber gerade bei besonders vernünftigen Menschen, die alles logisch erklären wollen, die Erfahrung gemacht, wie befreiend (und kreativ anregend) der Einstige in die absurde Welt des Nonsens sein kann: Denn dadurch entsteht eine andere Haltung, die Heiterkeit hervorbringt.«
Dieter Voss: »Es entsteht eine andere Haltung, mit der man viel besser leben kann und in der es einem besser geht, einem selbst und den Menschen, die mit einem zu tun haben natürlich. Ich will es noch einmal wiederholen: Michael Titze, Inge Patsch (ist die Co-Autorin) und das Buch heißt: Die Humor- Strategie und ist im Koesel-Verlag erschienen. Sie haben auch viele andere Bücher geschrieben, z.B. Mit Humor die Lebenskraft befreien. Sie merken schon, wir haben wirklich jemanden im Studio, der sich sehr mit dem Humor beschäftigt und, das habe ich schon bemerkt heute Abend, selber eine ganze Menge Humor hat. Wir haben uns schon ganz schön durch den Abend gekichert, Herr Dr. Titze und ich.
Jetzt wollen wir hören, was Herr Kupschak aus Neuisenburg uns zu erzählen hat. Hallo Herr Kupschak, guten Abend.«
Herr Kupschak:
»Wunderschönen guten Abend. Wir sind auch Fans von HR4 Talk und haben uns auch schon das eine oder andere Mal zu Wort gemeldet. Ich möchte da anschließen, als Sie über Woody Allen sprachen. Es gibt ja Filme, die Kultfilme sind, über die sich die meisten totlachen. Ich denke da an Die Ferien des Monsieur Tati, wo er da minutenlang versucht aufs Fahrrad zu steigen, - da kann ich nicht lachen. Oder auch einen Clown im Zirkus finde ich eigentlich eher traurig.
Ich denke mal, es liegt vielleicht daran, dass das immer, dieser Humor, das Lachen, zulasten eines anderen geht. Und darüber kann ich einfach nicht lachen. Dann gibt es andere Filme, ich denke da z.B. an Frankenstein in Amerika, zwischenzeitlich auch ein Kultfilm, mit George Hamilton; da gibt es z.B. eine Szene, da ist er nun in Amerika und dringend auf Nahrungssuche, der Vampir, und bricht in eine Blutbank ein. Ein Strahlen geht über sein Gesicht. Ah, ein Delikatessengeschäft! Über solche Szenen kann ich herzhaft lachen.
Mein Fazit daraus: Ein befreiendes Lachen, was ja auch gesund macht, Lachen ist gesund, heißt ja das Motto, ist eigentlich nur in solchen komischen Situationen zu finden, also im Film, mit Freunden oder Kollegen, in denen kein anderer verletzt wird. Ein Humor, der immer irgendwie zulasten eines anderen geht, das ist für mich kein Humor. Das finde ich ganz schlicht nicht lustig, ob es nun im Film sei oder im wirklichen Leben.«
Dieter Voss: »Dankeschön Herr Kupschak für diesen interessanten Aspekt.«
Michael Titze: »Herr Kupschak, ich gebe Ihnen völlig recht. Es ist kein Humor, wenn es auf Kosten von jemandem anderen geht. Was große Clowns machen ist ein durch den Kakao ziehen dessen, was wir als Erwachsene als ein Ideal vor Augen haben, das es unbedingt zu realisieren gilt - auch wenn es uns völlig überfordert! Der Clown ist ein Meister in der Kunst des Stolperns, oder in der Fähigkeit, lustvoll zu scheitern. Der Clown ist damit natürlich auch das Ebenbild eines kleinen unvollkommenen Kindes. Wenn er sein unvollkommenes Können, das alles andere als ideal ist, auf der Bühne oder im Zirkus zeigt, dann stellt er immer auch unter Beweis, dass es ihm nichts ausmacht, so unvollkommen zu sein. Daraus ergibt sich - nicht nur für Kinder! - eine ermutigende Anregung. Sie besagt, das es im Leben auch dann weiter geht, wenn man keine perfekte Leistung bringt, wenn man viel weniger gut ist, als es die Ideale des Erfolgdenkens unserer Leistungsgesellschaft fordern. Wir vergleichen den Clown in unseren Gruppen mit einem Hochspringer, der nur 20 cm springt und sich trotzdem darüber freut! Diese Reduktion auf etwas ganz Einfaches und dadurch auch Lächerliches, kann eine emotionale Befreiung bewirken, die zum Beispiel den Zwang zur Höchstleistung (Stichwort: 220 cm im Hochsprung!) absurd erscheinen lässt.
Inzwischen setzen Clowns in Kliniken, wo Menschen aufgrund körperlicher Erkrankungen nur noch wenig können (z.B. nach einem Schlaganfall) sehr viele ermutigende Impulse. Sie zeigen auf spielerische Weise, dass es auch mit sehr viel weniger Ambitionen geht. Das ist im Grunde schon eine philosophische Sache. Aber ich gebe Ihnen recht, es ist auch eine Geschmackssache, ob man davon profitiert, oder ob man eine andere Form des Humors besser findet. Auf jeden Fall ist das, was das Wesen des Humors ausmacht, die Reduktion. Und sie führt uns an die Fähigkeit heran, sich auch mit sehr, sehr viel weniger im Leben zufrieden zu geben.«
Dieter Voss: »Die Hörer. Worüber können Sie denn lachen? Worüber können Sie nicht so lachen? Vielleicht haben Sie Beispiele für uns. HR4 mit dem Talk - im Studio Dr. Michael Titze und Dieter Voss. Herzlich willkommen bei uns!
Wir sind verbunden mit Frau Held. Schönen guten Abend Frau Held.«
Frau Held: »Schönen guten Abend Herr Dr. Titze und Herr Voss. Ich möchte erst mal sagen, dass ich gerne lache.«
Dieter Voss: »War das bei Ihnen schon immer so und ist das immer so geblieben?«
Frau Held: »Das war schon immer so. Schon als junges Mädchen. Da denke ich immer an ein Erlebnis mit meiner Freundin, wenn es heißt, wann hast du denn mal so richtig gelacht? Wir hatten Abitur gemacht, waren in Jena und hatten da ein Zimmer zusammen. Unsere Wirtsleute, es war gerade eine schlechte Zeit, luden uns zu einem Kakao ein, was damals etwas besonderes war. Und wir beide mochten keine Haut auf der Milch. Auf dem Kakao schwamm aber eine dicke Haut. Wir guckten uns an und durften ja nicht lachen, das konnten wir nicht machen.
Wir haben mit Todesverachtung diesen Kakao getrunken. Danach sind wir in unser Zimmer und haben uns auf das Bett geschmissen und drauflosgeprustet. Wir konnten nicht mehr aufhören. Irgendwann hatten wir Bauchschmerzen vor Lachen. Daran muss ich immer denken, wenn es heißt, wann hast du einmal richtig gelacht.«
Dieter Voss: »Das ist eine schöne Geschichte. Es gibt Situationen, da weiß man, es kommt jetzt nicht gut an wenn man lacht. Wenn man es dann unterdrückt, umso schlimmer wird es.«
Frau Held: »Ja genau. Vor allem, wir waren in der Examenszeit. Wir haben nachts schlecht geschlafen, ein Buch genommen und immer wieder darin gelesen. Aber in dieser Nacht waren wir so entspannt durch das Lachen, dass wir durchgeschlafen haben.«
Dieter Voss: »Wunderbar. Das belegt alles, worüber wir heute Abend schon gesprochen haben. Das ist Klasse. Ich kann mich erinnern, dass ich so eine Zeit in der Schule hatte. Ich musste ständig lachen und dann die Klasse verlassen, weil ich mit meinem Lachen den Unterricht gestört hab'. Dann war ich draußen und dachte, ich hab' mich beruhigt, ging wieder hinein. Aber grade den Kopf zur Klassentür rein sah ich dann nur in das Grinsen einer Klassenkameradin und es ging gleich wieder von vorne los. Ich weiß nicht, wie viele Stunden ich auf dem Flur gestanden hab'.«
Frau Held: »Wir steckten uns in solchen Situationen immer ein Taschentuch in den Mund, um das Lachen zu unterdrücken. Aber es geht auch anders. Mein Mann und ich sind schon seit langem im Tanzkurs und da macht man ja öfters mal Fehler, oder tritt sich mal auf die Füße. Die meisten schimpfen dann. Die Paare beschimpfen sich tatsächlich. Aber wir sagten uns, wir wollen nur lachen, wenn wir Fehler machen. Wir lachen einfach, und das macht uns so viel Spaß, weil wir uns kaputtlachen, wenn wir einen Fehler gemacht haben.«
Dieter Voss: »Herr Dr. Titze, das ist doch die beste Art mit Fehlern umzugehen, oder?«
Michael Titze: »Ja. Dazu gibt es einen schönen Witz: Bei einem vornehmen Bankett überkommen einen der anwesenden Herren starke Blähungen. So sehr er auch dagegen ankämpft, so kommt schließlich doch ein gewaltiger Rülpser raus.
Ein anderer Herr erhebt sich augenblicklich von seinem Platz und herrscht den Übeltäter an: »Wie können Sie es wagen, Ihre Flatulenzen vor meiner Gattin entweichen zu lassen?!" Worauf der Angesprochene sich entschuldigt: »Oh, das tut mir wirklich sehr leid, ich wusste nicht, dass Ihre Gattin den Anfang machen wollte.«
Dieter Voss: »Frau Held, ich bedanke mich, dass Sie bei uns angerufen haben. Es war nett mit Ihnen zu sprechen. Tschüss.«
Frau Kampes: »Ich meine, dass der Humor und das Lachen vielleicht vererbbar ist. Meine Mutter ist z.B. auch eine sehr lustige und humorvolle Frau und ich bin es ebenfalls. Ich trage gerne Sketche vor, spiele auch mal Theater und erzähle hin und wieder gerne einen Witz.«
Dieter Voss: »Ich gebe die Frage mal an Herrn Dr. Titze weiter. Ist die Fähigkeit zu Humor vererbbar oder nicht?«
Michael Titze: »Ich denke, was vererbbar ist, ist eine gewisse Flexibilität im Denken. Was viel wichtiger ist, und Sie haben das ja auch gesagt, ist, dass wir lernen und ermutigt werden in unserem Elternhaus, diese Flexibilität an den Tag legen zu dürfen. Das heißt, es ist wahrscheinlich so, dass Eltern, oder einzelne Elternfiguren ihren Kindern die Möglichkeit eröffnen, ihre Veranlagung flexibel zu sein, absurd zu sein, nicht immer nur perfekt im Erwachsenendenken verhaftet zu sein, entwickeln zu können. Deshalb ist es so wichtig, dass wir den Kindern gestatten, auch mal zu blödeln und anders zu sein, als man das vielleicht noch vor einigen Jahrzehnten als Ideal gesehen hat. Nicht umsonst ist der Struwwelpeter ein Buch, das auch nach 150 Jahren von Kindern immer noch geliebt wird. Und weshalb? Weil dort Kinder dargestellt werden, die sich danebenbenehmen, die Gegenteiler sind. Auch der Clown wird als Gegenteiler bezeichnet. Wenn wir dieses gegenteilige Denken erlauben, dann können die Gene, die Humor-Gene, wenn wir so wollen, sich so richtig gut entfalten.«
Kostprobe von Frau Kampes Humor: »Ich habe meinen Mann auf einem Kostümball kennen gelernt. Wir hatten ein gemeinsames Kostüm. Wir sind nämlich als Pferd gegangen. Ich war vorne und mein Mann war hinten. Wäre es umgekehrt gewesen, hätten wir nicht heiraten müssen.«
Lachen...
Dieter Voss: »Herr Dr. Titze, wie kommt es eigentlich zu einem Lachanfall?«
Michael Titze: »Es kommt zu einem Lachanfall, weil die kraftvolle Weisheit unseres Körpers das Ruder übernimmt und den Geist - für eine Weile -ausschaltet. Im Lachen ist der Körper so stark, dass er die ganze Vernunft Schachmatt legt. Und dann können wir machen was wir wollen, das Lachen ist einfach viel stärker.«
Dieter Voss: »Was ist eigentlich mit diesem berühmten Verlegenheitslachen?«
Michael Titze: »Auch da geht es um die Weisheit des Körpers. Wenn wir an einen Punkt kommen, wo es scheinbar nicht mehr weitergeht, fängt der Körper selbständig an zu agieren. Und da das Lachen oder Lächeln immer ein mimisches Angebot ist, ein Angebot unserer Gesichtsmuskulatur an den anderen, freundlich zu sein, - über das Lächeln und Lachen wird ja eine zwischenmenschliche Brücke geschlagen, - kann es sein, dass wir in einem Zustand, wo wir einfach am Ende sind mit unserer Vernunft, plötzlich etwas tun, was auf den anderen als ein Angebot wirkt, mit uns wieder in Kommunikation zu treten, uns anzuschauen und auch zu lächeln. Sobald zwei Menschen sich anlächeln gibt es keine Probleme mehr. Das heißt, wenn die Worte ins Leere fallen, dann fängt der Köper an zu sprechen. Und genau das ist der Sinn des Verlegenheitslächeln.«
Frau Hartmann:
»Mir ist zu Ihrer Sendung eine Situation eingefallen, da war ich vielleicht 13 - 14 Jahre alt, das war Anfang der 50er Jahre. Ich war mit dem Fahrrad im Schwimmbad, fuhr dann irgendwann nachhause und sagte zu meiner Mutter, dass mir die Luftpumpe geklaut wurde. Dabei musste ich so lachen, dass sie mir eine Ohrfeige gegeben hat und sagte, dass das nicht wegen der Luftpumpe sei, sondern weil ich gelacht hab'. In diesem Fall war das Lachen für mich eher ungesund.«
Dieter Voss: »Das war aber nicht nett von der Mutter, oder?«
Frau Hartmann:
»Ja. Ich hab' schon Angst gehabt ihr das zu sagen, weil ich wusste, es ist irgendwie schlimm, weil die Luftpumpe weg ist. Trotzdem musste ich aus unerfindlichen Gründen fürchterlich lachen und hab's kaum rausgekriegt und sie hat halt so reagiert.«
Dieter Voss: »Haben sie vielleicht so gelacht, weil Sie Angst hatten vor der Reaktion der Mutter?«
Frau Hartmann: »Wahrscheinlich, ich weiß es nicht. Ich musste einfach zwanghaft lachen.«
Michael Titze: »Ich denke es ist so, wenn wir an einen Punkt kommen, wo es scheinbar nicht mehr weitergeht aus der Sicht unserer Erwachsenenvernunft, dann macht sich etwas selbständig, das außerhalb der Vernunft angesiedelt ist. Polizeibeamte haben mir erzählt, dass Angehörige plötzlich zu lachen begannen, wenn ihnen eine Todesnachricht überbracht wurde. Das mag zunächst befremden, doch Beamte, die das schon länger gemacht haben sagen, dies sei im Grunde die einzig mögliche Reaktion für den Augenblick, um eine unerträgliche Situation, vor allem auch physisch zu ertragen. Natürlich kommt die Trauerreaktion später. Aber in diesem Augenblick, wo es eigentlich gar nicht weitergeht, fängt der Körper an, sich selbständig zu machen und er kommt eben mit einer Reaktion, die physisch entlastend wirkt.«
Frau Mayer: »Ich lache eigentlich immer dann, wenn es gar nichts zu lachen gibt. Es ist so, dass ich eine blühende Phantasie habe. Dadurch stelle ich mir manchmal Dinge vor, die so auf die Art von Slap-Stick ablaufen. Zum Beispiel ist es mir passiert - ich falle öfter aufgrund meiner körperlichen Situation - und da fiel ich genau einem Mann vor die Füße. Der Mann ist natürlich sehr erschrocken. Plötzlich sagte ich zu ihm: »Oh, anbieten wollte ich mich nicht.« Danach war die ganze Situation entspannt.«
Dieter Voss: »Damit bestätigen Sie, worüber wir den ganzen Abend schon gesprochen haben.«
Michael Titze: »Dazu fällt mir ein Witz ein. Ein eiliger Fahrgast fällt beim Aussteigen aus der Straßenbahn unsanft auf den Hintern. Ein Passant fragt ihn teilnahmsvoll: »Sind Sie hingefallen?« Er sagt: »Nein, so steige ich immer aus.«
Dieter Voss: »Jetzt kommen wir immer wieder auf den Punkt, welche Wunderwirkung Humor haben kann und Frau Mayer, Sie sagen wegen Ihrer körperlichen Situation, da hilft Ihnen Ihre humorvolle Einstellung bestimmt auch, mit dem Leben besser fertig zu werden.«
Frau Mayer: »Ja. Das denke ich auch.«
Dieter Voss: »Guten Abend Frau Sauerwald. Sie klingen aber auch humorig.«
Frau Sauerwald: »Ja, natürlich. Ich möchte sagen, mir tun Menschen leid, die nicht lachen können. Denn Lachen stärkt das Immunsystem und Humor ist der Schwimmgürtel des Lebens. Ich habe eine liebe Freundin in Süddeutschland.
Sie hat vor 20 Jahren den Verein gegründet Freunde schaffen Freude. Sie selbst hat MS, hilft Menschen, vielen Menschen und geht mit ihrem Mann als Kinderclown in die Krebskinderklinik. Und ich finde das ganz toll von dieser Frau, die selbst mit Schmerzen belastet ist und macht trotzdem noch so etwas. Ein Tag ohne Lachen ist ein verlorener Tag.«
Dieter Voss: »Ganz bestimmt. Es ist eine wunderschöne Bestätigung, was wir heute Abend auch immer wieder besprochen haben. Das ist auch bei Ihnen im Leben immer schon so gewesen, dass Sie sich mit Humor über Wasser gehalten haben?«
Frau Sauerwald: »Ja. Ich habe aber auch schon tiefe Stunden und Depressionen gehabt. Ich habe mich aber wieder gefangen und ich bin froh, dass ich meinen Humor hab'. Das ist mein Kapital.«
Dieter Voss: »Ich möchte hierzu etwas aus einem Buch von Dr. Titze zitieren: Manche Menschen schauen so ins Leben hinein, da hat man das Gefühl, sie sind Abschmecker in einer Essigfabrik.«
Frau Sauerwald: »Ja, das stimmt. Viele Menschen haben so herunterhängende Mundwinkel. Und wenn sie die ein bisschen hochziehen würden, dann käme auch ein Lachen heraus.«
Dieter Voss: »Ganz bestimmt. Und da hat Herr Dr. Titze auch gesagt, Lachen bewirkt etwas Positives im Körper. Aber man kann es auch umdrehen. Wenn man sich zwingt zu lachen, dann setzen auch diese positiven Effekte ein.«
Michael Titze: »Wenn man sich entscheidet. Zwingen sollte man sich nicht. Aber man kann sich entscheiden. Das wird ja auch in den Lachclubs gemacht. Da lachen die Leute wie kleine Kinder. Sie machen harmlose Spiele und nach etwa 10 Minuten kommen sie in ein richtiges Lachen hinein. Man muss nur den Mut haben weiterzumachen, nicht gleich aufzuhören und dann kommt man automatisch in das Lachen des Kindes.«
ENDE
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