Sie sind Therapeut, der mit Humor heilt. Mit Witzen?
Nein, schon mit dem Namen unseres Vereins »HumorCare« versuchen wir zu dokumentieren, dass wir keinen Unterhaltungshumor betreiben, sondern - ganz ernsthaft therapeutisch nützlichen Humor. Dieser Humor hilft, Stress zu bewältigen, Ängste abzubauen, kreativ zu denken. Er heilt Körper und Geist.
Sie verzeihen, dass ich jetzt an Loriot und sein Jodeldiplom denken muss. Was haben Sie gegen Unterhaltungshumor?
Eigentlich nichts. Nur: Der Unterhaltungshumor erschöpft sich in dem Zweck, Menschen einfach zum Lachen zu bringen, also zu bewirken, dass man sich kurzfristig besser fühlt. Beim therapeutischen Humor geht es dagegen um einen längeren und tieferen Effekt: um die Erkenntnis, dass es Kontraste gibt, die zunächst komisch sind. Zum Beispiel der Professor, der mit offenem Hosenstall am Rednerpult steht. Das mag für das Publikum komisch sein. Für ihn selbst ist dieser Kontrast keineswegs komisch. Er wirkt so lange beschämend, bis der Redner bewusst Mittel und Wege findet, mit diesem Kontrast kreativ umzugehen.
Sie sprechen von Menschen, die befürchten, sich danebenzubenehmen?
Genau. Wir alte tragen das Ideal der Normalität in uns. Wir wollen in der Regel nicht negativ auffallen. Sich selbst als lächerlich zu empfinden, geht allemal auf Kosten des eigenen Ich-Ideals. Darum haben manche Menschen - wie der berühmte Psychiater Viktor Frankl sagte - den faustischen Drang, unauffällig zu sein. Lieber sich ducken als negativ auffallen. Wir von HumorCare versuchen, aus diesem Zwang zur Unauffälligkeit einen Willen, eine Bereitschaft zur Auffälligkeit zu machen. Das wäre dann die »paradoxe Intention«.
Sie arbeiten also mit dem Mittel der »paradoxen Intention« - was bedeutet das?
Wenn ich mir vornehme, etwas bewusst hervorzurufen, über das ich normalerweise keine Kontrolle habe - zum Beispiel eine unfreiwillige peinliche Situation -, kann ich erleben, dass es mir paradoxerweise gelingt, eben diese Situation unter Kontrolle zu bekommen. Ein Assistenzarzt berichtete mir zum Beispiel: »Ich muss morgen in der Klinik einen Vortrag halten. Meistens geht das gut. Aber manchmal kann es sein, dass ich kurzatmig bin oder ei nen Blackout habe. Was soll ich dann machen?« Ich sagte: »Wahrscheinlich versuchen Sie das zu überspielen. Das ist falsch. Sie müssen es nicht nur zulassen, sondern sogar noch übertreiben. Ändern Sie also Ihren Tonfall, versuchen Sie zu lispeln, greifen Sie sich theatralisch ans Herz und erklären Sie den Leuten, dass Sie jetzt eine Weite so sprechen werden wie Patienten, die in eine rhetorische Krise hineinrutschen!« Viktor Frankl hat übrigens schon vor 70 Jahren geraten: »Wenn einer Angst vor dem Erröten hat, soll er versuchen, Weltmeister im Erröten zu werden.»
Und um das zu vermitteln, arbeiten Sie mit Clowns zusammen?
Ja, therapeutische Clowns sind Leute, die sich in der Kunst des Scheiterns auskennen und die Lust am Stolpern wecken. Weil für den Menschen der Übergang von einer unfreiwillig komischen in eine bewusst kontrollierte komische Situation so schwierig ist, parodieren wir das im Clownspiel. Das geht wie eine Stapsticknummer im Zirkus.
Wie funktioniert das im Alltag?
Natürlich muss ein Clownspiel nicht immer in eine derbe Stapsticknummer ausarten. Mir ist, während ich ein Seminar leitete, mal Folgendes passiert: Ich trug Halbschuhe mit Ledersohlen, die ganz nass waren. Um sie trocken zu kriegen, stopfte ich vorher Zeitungspapier rein. Während ich so auf meinem Stuhl saß, bemerkte ich, wie die Leute schmunzelten. Einige guckten an mir runter. Da sah ich, dass die Hälfte der Zeitung an meinem Socken klebte. Natürlich war mein erster Impuls, das zu korrigieren. Doch dann zog ich einen Hemdzipfel raus und überzog die Situation damit auf eine bewusste Weise.
Profitieren auch Öffentlichkeitsprofis von Ihrer Technik?
Ja natürlich. Ich lernte vor kurzem bei einem TV-Talk einen Moderator kennen, der eigentlich ganz souverän war. Er gestand mir aber offen, er würde sich unheimlich oft versprechen. Das würde er aber nie überspielen, sondern den Leuten im Gegenteil erklären: »Meine Damen und Herren, es kann sein, dass ich mich heute noch viel öfter versprechen werde.« Und als er sich dann tatsächlich einmal versprochen hat, sagte er: »Also endlich ist es jetzt passiert.« Und das kam beim Publikum an. Allein dadurch, dass ich etwas Peinliches ankündige, nehme ich die Spannung raus. Ich habe mich unter Kontrolle, weit ich den komischen Kontrast nicht als Katastrophe ansehe, sondern als Anlass, mir ein kreatives Spiel daraus zu machen.
Verona Feldbusch kokettiert auch mit ihren Sprachschwächen.
Stimmt. Manche Politiker dagegen machen das nicht. Ihre Blackouts bei TV-Duellen wirken deshalb peinlich. Als ein bekannter Parteivorsitzender den neuen Papst besuchte, machte er wie die Damen vor ihm einen Knicks. Als er diesen Fauxpas bemerkte, versuchte er das irgendwie zu korrigieren. Und das war dann erst recht komisch.
Humor ist doch auch eine Frage des Mutes?
Ja, eine Frage des Mutes zur Lächerlichkeit und Unvollkommenheit. Humor ist das Ergebnis von Kontrasten, vom Zusammenfallen zweier Bezugssysteme. Das eine Bezugssystem entspricht der Strategie des Erwachsenen: der Logik, der Vernunft, der Normen. Das andere wäre das Bezugssystem des Kindes, also das Unvernünftige, Intuitive, das Affektive. Nur wenn ich dieses Bezugssystem nicht unterdrücke, sondern in mein Verhalten strategisch integriere, gibt es eine Synthese, die zur Kreativität und eben auch zur Humorerfahrung führt.
Hat Humor Grenzen, hört der Spaß irgendwo mal auf?
Wenn der Spaß zynisch ist, dann ja. Sonst nicht. Mir gefällt die Definition: »Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.« Das heißt: Ich habe ja die Entscheidung, wie ich eine Sache sehen kann. Wenn ich immer nur Erwachsener sein will, dann bin ich eines Tages depressiv. Und wenn ich mich nur als Kind definiere und nicht in der Lage bin, auch ernsthaft zu sein, dann bin ich unreif, kindisch.
Angeblich gehört Humor zu den Fähigkeiten, die den Menschen in der Evolution noch vorn gebracht haben. Humor unterscheide den Menschen vom Tier.
Untersuchungen zeigen, dass Affen eine Art Humor haben. Aber auch andere Tiere. In den 1950er Jahren wurden Delfine darauf trainiert, Torpedos zu feindlichen Schiffen zu bringen. Sie transportierten neun Torpedos zu den feindlichen Schiffsattrappen. Den zehnten Torpedo brachten sie zum eigenen Schiff und schwammen ganz schnell weg. Das finde ich sehr humorvoll. Man kann also nicht sagen, Humor sei nur eine menschliche Eigenschaft. Humor hat sehr viel mit kreativer Intelligenz zu tun, denn man muss intelligent sein, um zwischen der Logik des Erwachsenen und der des Kindes hin- und herspringen zu können.
Humorvolle Menschen haben mehr Erfolg?
Ja. Menschen wie Harald Schmidt machten die Erfahrung, dass sie sich als Klassenclown eine gute Position verschafft haben - ohne die üblichen Machtspiele mitmachen zu müssen. Der Humorist hat Narrenfreiheit und ist anerkannt.
Sind humorvolle Menschen auch kreativere Menschen?
Ja, ich habe das selbst mal in einer Lachgruppe ausprobiert. Wir nahmen unser Reflexlachen auf Bändern auf und verteilten sie in der Gruppe. Ich legte dieses Band während langer Autobahnfahrten ein und lachte herzhaft mit. Nach fünf Minuten nahm ich die Schilder oder die Leute in anderen Autos ganz anders wahr. Das heißt, durch die Heiterkeit konnte ich die Umwelt viel kreativer wahrnehmen. Das berichten auch Menschen, die Lach-Yoga machen.
Könnte man sagen, Lachen ist eine bewusstseinserweiternde Droge?
Beim Lachen werden Endorphine ausgeschüttet. Und das ist fast so, wie wenn Sie Drogen nehmen. Weit Sie andere Zusammenhänge sehen. Auch interessant: Es kommt vor, dass Polizisten zu einer Frau kommen und sagen: »Ihr Mann ist vor einer halben Stunde bei einem Autounfall ums Leben gekommen.« Und sie fängt an zu lachen - nicht, weit sie herzlos ist, sondern weil die Weisheit des Körpers sie in dieser traumatischen Situation schützt.
Lachen und Weinen liegen nahe beieinander?
Natürlich. Es handelt sich um unsere ersten Kommunikationsmittel. Schon das Baby zeigt durch das Weinen an, dass es sich unwohl fühlt. Und durch das Lachen, dass es sich wohl fühlt.
Ein Grund, warum Lachen ansteckt?
Wenn das Kind seine Mutter anlächelt, programmiert es die Mutter darauf, es als einen Teil von sich selbst zu sehen. Die gesunde Mutter wird das Kind ins Herz schließen, und es entsteht eine zwischenmenschliche Brücke. Auch Erwachsene können durch ein gewinnendes Lächeln Brücken schlagen. In den USA wird das genutzt, um im Geschäftsleben Erfolg zu haben. Ein Lachen steckt übrigens auch an, wenn man den Lachenden nicht sieht. Darum spielt man Lacher in TV-Soaps ein. Das wird oft kritisiert - ich finde das nicht schlimm.
Warum muss man lachen, wenn man gekitzelt wird?
Kitzeln ist ein aggressiver Akt, bei dem sich der Gekitzelte wehrlos fühlen muss - weshalb man sich auch nicht selbst kitzeln kann. Kitzeln war im 30-jährigen Krieg sogar ein Foltermittel. Da streute man den Delinquenten Satz auf die Fußsohlen. Das leckte dann eine Ziege ab. Das daraufhin ausgelöste Lachen war nichts anderes als eine Schutzmaßnahme, dem Schreien sehr ähnlich. Lachen selbst kann ja auch bedrohlich wirken, zum Beispiel das laute Lachen von Männern. Lachen kann also beides: bedrohlich aggressiv wirken und sozial verbinden, beschwichtigen.
Kenne ich aus Donald Duck. Da machen die Panzerknacker Har, Har, Har - kein freundliches Hi, Hi, Hi. Haben die Menschen eigentlich früher mehr gelacht als heute?
Eher weniger - zumindest in der Öffentlichkeit. Lachen galt als derb und bäurisch, In besseren Kreisen hat man deswegen das Lächeln hinter einem Fächer verborgen. Oder man hat in die Faust gekichert.
Was geht beim Lachen im Kopf vor?
Man sagt ja, dass im Lachen die Weisheit des Körpers die totale Dominanz über die Vernunft erringt. Im Lachen verselbstständigt sich der Körper bzw. die dort vorherrschende unbewusste Logik. Man geht in der Forschung davon aus, dass beim Lachen das so genannte Bauchhirn durch die Kontraktion des Zwerchfells stimuliert wird. Daraus ergibt sich etwas auf einer ganz elementar intuitiven Ebene, auf der man nicht in Kategorien und Begriffen denkt. Man spricht auch von Erlebungen - nicht Erlebnissen.
Was ist der Unterschied zwischen Erlebungen und Erlebnissen?
Erlebungen sind nicht verbalisierbar und visualisierbar. Sie geschehen im rein körperlichen Kontext. Wenn Menschen zu lachen anfangen, dann denken sie erst mal gar nicht. Und wenn sie dann versuchen, dieses Lachen zu unterdrücken, gelingt das deshalb nicht, weit sie in diesem Moment nicht fähig sind zu denken. Erst dann, wenn sie die Dynamik des Lachens akzeptieren, kommen die kognitiv erfahrbaren Erlebnisse. Im Lachen ist der Mensch also kein Geist-, sondern ein Leibwesen. Ich habe das mal beim ernsthaften Meditieren selbst erlebt. Da fing plötzlich einer an zu lachen. Der steckte die anderen an. Am Ende lachten wir alle. Und wir konnten es kaum abstellen. Ich kenne Berichte über Lachanfälle, die tagelang angedauert haben sollen.
Welche Gehirnzentren sind aktiv, wenn man einen Witz verstehen muss?
Von der sprachlichen Herkunft geht der Witz auf das Wort »Wissen« zurück. »Weisheit«, »Witz«, »gewitzt sein« - und auf das englische Wort »wit«. Auch das zeigt: Ein Witz ist etwas geistig Bedeutsames und kann natürlich Erheiterung auslösen. Aber niemals das echte Lachen. Erzählt man jemandem, der im Kernspintomographen liegt, einen Witz, dann aktiviert das völlig andere Areale, als wenn man richtig lacht. Lachen ist also etwas anderes als versonnenes Schmunzeln.
Lachen provoziert man mit Lach-Yoga besser als mit Witzeerzählen?
Es gibt eine Technik, die Madan Kataria als »laughter without reason« bezeichnet. Bestimmte Lachübungen bringen einen zu dies ein grundlosen Lachen. Man lacht sich frei und steckt sich dann gegenseitig an. Das ist das Grundprinzip des Lach-Yoga, das man in diversen Lachclubs praktiziert. (Beim Reflexlachen liegt man auf dem Rücken und hat die Augen zu.) Das Schöne daran ist, dass man sich keinerlei Mühe gibt, sich nur vom Lachen der anderen anstecken lässt - und eine halbe Stunde lang lacht. Ohne zu denken.
Zum Schluss bitte die beste Lachübung, die Sie kennen.
Das Einfachste ist: Man besorgt sich eine Lach-CD, hört sich das Lachen der anderen an. Und klinkt sich ein. Das ist ein Selbstläufer.
|