Südwest Fernsehen
Wohlfühlen
Mitschnitt eines Interviews mit Dr. Michael Titze

Lachen ist gesund, weiss der Volksmund. Auch die Wissenschaft hat sich in den letzten 20 Jahren mit der heilenden Wirkung von Humor und Lachen beschäftigt und Experimente entwickelt, mit denen man das Lachen genauestens untersuchen kann.
Es gibt 5 verschiedene Muskeln, die in den Mundwinkelbereich einstrahlen. Sie sind in der Lage, die Mundwinkel zurückzuziehen und anzuheben. Aber nur einer davon ist tatsächlich beim echten Lächeln oder Lachen aktiv.

Sie können das wunderbar mit einem Bleistifttest herausfinden, welche Muskeln beim Lächeln aktiv sind: Nehmen Sie einen Bleistift quer zwischen die gespannten Lippen und beissen ein wenig zu, damit er fixiert ist. Die Mundwinkel werden gedehnt und erhalten die Position, die sie bei einem echten Lächeln und Lachen auch haben. Dabei sind auch die gleichen Muskeln aktiv wie bei einem echten Lächeln. Das heisst, die Zähne werden gezeigt. Ursprünglich war das Lachen eine Drohgebärde, es ist nämlich aus dem Zähnefletschen enstanden. Es zeigte und zeigt immer noch, dass jemand Biss hat. Es war eine Drohgebärde nach aussen. Innerhalb einer Gruppe aber hatte und hat es etwas Verbindendes. Sich die Zähne zeigen heisst, ich bin stark und bin ein gleichberechtigter Partner. Fast immer lächeln wir zurück, wenn uns jemand anlächelt. Lächeln verhindert Spannungen und Aggressionen im Vorfeld.
In Gesellschaft anderer lachen Menschen bis zu 30 mal mehr als alleine. Lachen ist ein soziales Signal, das dann auftritt, wenn wir uns in der Gruppe wohl fühlen. Lachen bestätigt und schafft Übereinstimmung. Je mehr gelacht wird, desto stärker werden die Bindungen in der Gruppe. Ein Lachen erkennen wir bis auf eine Entfernung von 70 Metern, schneller als jeden anderen mimischen Gesichtsausdruck. Lachen ist eine der ältesten menschlichen Kommunikationsformen, ein Erbe aus der Urzeit.

Was passiert im Körper, wenn wir lachen?

Heftiges Lachen ist richtig körperliche Arbeit: fast sämtliche Muskeln im Körper werden beansprucht. Bei herzhaftem Lachen steigt der Puls auf 120 Schläge pro Minute. Die Atmung wird stark angeregt, so dass es zu einem beschleunigten Austausch von verbrauchter und sauerstoffangereicherter Luft kommt. Die Lungenflügel dehnen sich und nehmen 3 bis 4 mal soviel Sauerstoff auf wie gewöhnlich. Insgesamt kommt es zu einer besseren Durchblutung der Muskulatur. Das entspannt die Arterien und senkt den Blutdruck, weil auch der Herzschlag zwar zunächst beschleunigt wird, sich dann aber deutlich verlangsamt. Das Zwerchfell hüpft und massiert die inneren Organe. Die Bauchmuskeln spannen sich an, um die Luft mit einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h hinaus zu pressen. Der durchschnittliche Lachanfall dauert übrigens etwa 6 Sekunden. Nach der starken muskulären Anspannung setzt umgekehrt eine genauso tiefe Entspannung ein. Stresshormone werden abgebaut. Der Effekt auf den Körper ist mit anderem körperlichen Muskeltraining vergleichbar. Auch die Ausschüttung von Hormonen, den sogenannten Endorphinen, ist nach einem Lachanfall vergleichbar zum Beispiel mit der Hormonausschüttung nach dem Joggen.

Stimmt es, dass Lachen das Immunsystem stärkt?
Studien amerikanischer Gelotologen, Lachforscher, haben gezeigt, dass beim Lachen die Anzahl der sogenannten T-Lymphozyten oder T-Helfer-Zellen steigt. Diese Zellen sorgen dafür, dass sich schädliche Keime nicht im Körper festsetzen können. Sie spielen bei der Abwehr von Krebs und Herzerkrankungen eine Rolle. Lachen führt zur Vermehrung der natürlichen Killerzellen, die bei der Eliminierung von geschädigten und entarteten Zellen von Bedeutung sind. Ausserdem bewirkt Lachen eine Zunahme von Immunglobulinen, Antikörpern, die den Keimbefall im Bereich der Atmungsorgane hemmen. Das heisst, Lachen stärkt auch die Immunabwehr.
Die Lachforschung, die Gelotologie, hat Belege gefunden, warum Lachen tatsächlich gesund ist und dass Menschen, die viel lachen, weniger krankheitsanfällig sind und schneller wieder gesund werden.

Kann man richtiges Lachen trainieren?
Grundsätzlich gilt: Menschen mit einem heiteren Temperament lachen häufiger und verarbeiten negative Ereignisse oder Einflüsse leichter. Echtes herzhaftes Lachen stellt sich spontan allerdings nur dann ein, wenn man sich von all dem innerlich distanzieren kann, was die natürliche Lebensfreude trübt. Diese Fähigkeit ist jedem Menschen mitgegeben. Wo sie verschüttet ist, hat »der Ernst des Lebens« - als Ausdruck perfektionistischen Erwachsenenlebens - zu sehr die Oberhand gewonnen. Das Lachen ist einem sprichwörtlich vergangen. Wem es gelingt, sich von dieser perfektionistischen Selbstkontrolle zu befreien, der kommt an seine ursprüngliche Lebensfreude wieder heran.
Man kann das Lachen genauso trainieren wie zum Beispiel Aerobic. Eine Möglichkeit ist die sogenannte Therapie des bewussten Lächelns. Da wird die Übung eingesetzt, die wir gezeigt haben mit dem Bleistift. Das heisst, das Benutzen der richtigen Lachmuskeln wird regelrecht trainiert. Es ist nachgewiesen worden, dass es spätestens nach 20 Minuten zu den gleichen Veränderungen im Gehirn und Hormonhaushalt kommt wie bei einem echten Lachen.
Sollte man also bewusst lachen? Unbedingt. Leider sperren sich manche Menschen gegen die vielen Anlässe, die sie zum Lachen bringen können. Wir sollten es umgekehrt machen: systematisch nach komischen Auslösereizen suchen, die den Lachreflex in Gang setzen. Es steht in unserer Macht, dem Alltag lustige Seiten abzugewinnen. Dabei sollten wir bewusst laut und intensiv lachen.
Eine Möglichkeit, um in ein langes und herzhaftes Lachen zu kommen, ist die Methode die ein indischer Arzt entwickelt hat. Dafür wird mit Atemübungen, Gymnastik und Anleihen aus dem Yoga der Körper in einen Zustand gebracht, indem sich das Lachen verselbstständigt. In Indien treffen sich täglich Zehntausende von Menschen auf öffentlichen Plätzen, um sich in diesem speziellen Lachen zu üben. Auch in Deutschland haben sich derartige Lachgruppen bereits etabliert.
Die Fähigkeit zu Lachen ist uns angeboren und wenn man Kinder beobachtet, dann fällt auf, dass sie viel öfter lachen als Erwachsene. Woran liegt das? Kinder lachen 10 mal häufiger als Erwachsene. Aber, in der Kindheit entstehen auch die seelischen Verletzungen, die dann bei Erwachsenen dazu führen, dass ihnen das Lachen vergangen ist. Ein Mensch, der als Kind wiederholt ausgelacht worden ist, leidet auch als Erwachsener noch unter diesen Beschämungen. Scham ist das Gefühl, das aufkommt, wenn ich mich vom anderen beurteilt fühle, zum Objekt gemacht fühle. Wenn dieses Beurteilt-werden auch noch mit einem spöttischen, grinsenden lachenden Gesicht zusammengeht, dann entsteht Angst. Dann kommt es zu einer Verkrampfung und dadurch wird das Gefühl lächerlich zu sein, ein lächerliches Objekt zu sein, noch verstärkt. Diese Angst, lächerlich zu sein, zeigt sich zum Beispiel auch in der Angst, das Gesicht zu verlieren. In der Fachsprache heisst das »Geloto-Phobie«, also die Angst, lächerlich zu sein, ausgelacht zu werden.

Lachtherapie für Körper und Seele

Es gibt inzwischen eine Reihe von psychotherapeutischen Verfahren, die ausdrücklich humorbezogen sind. Dabei geht es um die Umwandlung von selbstschädigenden Einstellungen. Der Patient lernt dabei, das Leben aus einer anderen, heiteren Perspektive anzupacken. Es geht dabei nicht darum, den Patienten um jeden Preis zum Lachen zu bringen, sondern einen Prozess anzuregen, der zu einer selbstbejahenden, mutigen Einstellung führt, die mit Heiterkeit und Lebensfreude einhergeht.
In sehr vielen amerikanischen Krankenhäusern gibt es fest angestellte »Humorberater«. Auch in Deutschland gibt es inzwischen zum Beispiel sogenannte »Klinik-Clowns«, das sind Krankenschwestern und Ärztinnen und Ärzte mit einer speziellen Ausbildung, die Lachen als Medizin einsetzen, zum Beispiel auf Kinderkrebsstationen.

Wie finde ich in Deutschland einen qualifizierten Therapeuten, der mit »therapeutischem Humor« arbeitet?

Die meisten Therapeuten haben sich in der Fachgesellschaft »HumorCare« zusammengeschlossen.